Die Kochsalz-Lösung

Andreas Trimmel

von Andreas Trimmel

Story

Eine Nachricht, abends, um 21:20, wĂ€hrend ich grad in der Sporthalle herum hoppel, ein paar Körbe werfe und mich zwischendurch erfolgreich einigen alten, unterschiedlich behaarten MĂ€nnern in den Weg stelle: „Bitte steh morgen um 6 Uhr auf, weil ich brauche Mathe-Hilfe – weil bei mir kommt immer raus dass minus 79630ml. Kochsalzlösung benötigt wird“

 Ich muss schmunzeln. Das sind ja Aussichten. Kochsalzlösung auf nĂŒchternen Magen 
 noch dazu eine negative, und in rauen Mengen 
 Das ist echt ein heftiger Brocken. Ob das zu lösen ist? Mal schauen. Ich freu’ mich schon auf das Fehlersuchbild am frĂŒhen Morgen. Vorher spiel’ ich allerdings noch fertig. Ich hab’ da noch ein paar WĂŒrfe im Handgelenk, die ich noch rausschĂŒtteln möchte. Bevor ich morgen die Kochsalz-Lösung aus dem Ärmel schĂŒttle.

Am nĂ€chsten Morgen wartet er tatsĂ€chlich bereits, als ich kurz nach 6 im Wohnzimmer erscheine. Und anders als sonst ist er wesentlich wacher als ich. Gut, die Unmengen an negativer Kochsalzlösung können einem in der Tat jeden Schlaf rauben, das versteh’ ich. Bevor ich mich allerdings dem gekochten und gelösten Salz widme, zieh’ ich mir noch schnell gekochten und gelösten Kaffee rein. Sonst kann mir das negativistische Kochsalz ungelöst und ung’schaut den breiten Buckel runterrutschen. 

Als der Kaffee dann seine Wirkung entfaltet, gönn’ ich mir das Salz. Und finde rasch die Stelle, an der es abgedriftet und kolossal ins Minus geschlittert ist. Ja, DIE Kurve musst du echt mal kriegen. Ich zeig’ dem Junior jene Stelle, an der er Gleiches ungleich behandelt hat, die eine Seite richtiggehend diskriminiert hat, sodass echte Differenzen entstanden. Echt gesalzene Differenzen 
 Die Dreizehn sieht mich unglĂ€ubig an. „Und? Das war’s?“ Ich schweige schmunzelnd. „Da hĂ€tt’ ich ja auch selbst drauf kommen können!“, meint er in einem seltenen Anflug an Selbstkritik. „Eh!“, rutscht’s mir vorlaut ĂŒber die Lippen – und handle mir einen vorwurfsvollen 13-jĂ€hrigen Blick ein.

Das Kochsalz ist wieder positiv gestimmt, der Junior und ich ebenso – gute Laune ist bekanntlich hochgradig ansteckend – und die Mathe-Prof wird’s hoffentlich auch sein. Und bleiben. Bei der Schularbeit. Sofern der Jungspund nicht wieder ihre Angaben ĂŒberarbeitet, damit sie besser zu seinen Lösungen passen. Und ich hoffe auch instĂ€ndig, dass die Mischung gut ist, dass das Kochsalz und allfĂ€llige andere Ingredienzen nicht wieder unter den Nullpunkt wandern. Die Vorzeichen stehen zwar gut – aber falsch interpretierte Vorzeichen fĂŒhren schnell auf Abwege.

Am Abend sprech’ ich die Dreizehn auf die Schularbeit an. „Die war UR leicht!“, bekomm’ ich zu hören. „Ich hab’ nur ein Beispiel nicht gemacht.“ Ein Stirnrunzeln zieht auf. Ein Beispiel? Nicht gemacht? Wenn’s doch „URleicht“ war? Egal. Ein Beispiel allein macht noch keinen Fetzen.  Kurze Zeit spĂ€ter, ein Nachsatz des Pubertiers: „Ich hab’ ECHT viel gewusst!“ Zufrieden und stolz grins’ ich in mich hinein, das ungemach(t)e Beispiel sanft verdrĂ€ngend.  Dann allerdings kommt noch ein Nachsatz, unbekĂŒmmert vorgetragen, aber final und alles entscheidend: „Nur Meter auf Kubikmeter umzurechnen hab’ ich vergessen.“

Eine Pyramide. Mit 10 Metern Volumen. Und ich denk’ wieder an die Kochsalzlösung 


© Andreas Trimmel 2024-04-06

Genres
Romane & ErzÀhlungen, Humor& Satire
Stimmung
Abenteuerlich, Komisch, Inspirierend, Unbeschwert