Majestätisch steht sie vor dem Abgang in die Tiefgarage und die gelben Blüten leuchten mit der strahlenden Sonne um die Wette. Von oben nach unten öffnet sie ihre einzelnen Blüten und jedes Mal, wenn eine Blüte aufgeht, kann man ein winziges Elfengesicht erkennen. Magisch ist diese prachtvolle Pflanze, denn die Elfen tanzen manchmal in der Dämmerung ihren Elfenreigen und die kleinen Geschöpfe finden inzwischen einen ruhigen und sicheren Platz in den gelben Blüten. Der honigartige Duft lullt sie in den Schlaf und manchmal löst sich ein süßer Tropfen und landet im Mund eines kleinen Elfenbabys. Dieser Nektar schmeckt himmlisch.
Wenn man die Königskerzen inmitten einer Wiese sieht, dann kann man sich diese Elfentänze sehr gut vorstellen. Allerdings befindet sich die oben genannte Heilpflanze neben einem wunderbar duftenden Rosenstrauch auf einem ganz kleinen Platzerl inmitten der Stadt. Gott sei Dank erkennt man gegenüber einen Vorgarten, da vermag man sich gut vorstellen, wie sich die Zauberwesen rund um einen blühenden Wildrosenstrauch bewegen. Einige freche Spatzen wippen auf den Zweigen mit und freuen sich über diese Abwechslung und singen dazu ihr schönstes Lied. Auch die Käfer halten inne, bis ein vorwitziger Kolkrabe majestätisch in die Mitte der tanzenden Elfen fliegt und die Zauberwesen mit seinen ungelenkigen Bewegungen zum Lachen bringen. Sie halten inne, bis der kohlschwarze Eindringling verstört von dannen zieht.
Die pastellfarbenen Seidenkleider flattern im Sommerwind und plötzlich sieht ein kleines Mädchen diesem Treiben zu, denn es kann die Feen mit Augen und Ohren wahrnehmen. Diese Anderswelt ist voller Harmonie und weit entfernt vom anstrengenden Alltag. Das Mädchen setzt sich in die Wiese, sofort fasst eine Elfe das kleine Händchen, um das Mädchen in den Reigen zu ziehen. Es passt sich mit ihren Schritten der Musik an. Dann taucht eine Wolke auf und es fängt an zu regnen. Zwei Elfen lassen das Mädchen nicht mehr los. Hannahs Mutter sucht verzweifelt ihre Tochter, schaut aus dem Fenster, gerade eben hatte ihre Tochter noch getanzt, jetzt aber prasseln Regentropfen hernieder. Sie ruft nach ihr, aber sie bleibt verschwunden.
Die Mutter schreit sich die Seele aus dem Leib, bis sie vor der Königskerze steht. Tränen rinnen über ihre Wangen und endlich lässt der Regen nach, die Sonnenstrahlen lugen wieder vorsichtig hervor. Die Babyelfen sehen den Schmerz der Mutter und dann kommt Leben in die leuchtenden Blüten. Die Elfenbabys rufen nach ihren Müttern aus der Anderswelt und sie sind sofort zur Stelle. In diesem Augenblick wussten sie, dass sie das Menschenkind nicht in ihr Reich mitnehmen durften. Keine Elfenmutter würde ihr Kind in der Welt der Menschen zurücklassen.
Eine Wolke hüllte Hannah ein und sie landete vor ihrer Mutter, die sie umarmte. Über ihren Ausflug ins Feenreich hat die Kleine nie gesprochen. Wenn aber die Zauberwesen im Vorgarten tanzen, dann sieht sie ihnen immer mit Freude zu und manchmal fügt sie sich in die Reihe ein. Die Anderswelt aber bleibt für immer Hannas Geheimnis.
© Christine Büttner 2024-07-01