Die Konstante

Wir kennen uns schon sehr lange. Genauer gesagt schon immer, wobei es bei mir natürlich etwas brauchte, bis ich sie bewusst wahrnahm. Wenn ich meine ersten bildhaften Erinnerungen an sie abrufe, sehe ich mich selbst im zarten Volksschulalter. Also mittlerweile doch schon bald drei Jahrzehnte in der Vergangenheit.

Wie es bei vielen Beziehungen der Fall ist, hat sich auch unsere über die Jahre verändert und weiterentwickelt. Was nicht nur an mir lag. Sie hat auch ihr einiges dazu beigetragen. Egal welche Phasen ich auch durchlebte, sie wich mir nie von der Seite. Egal wie sehr ich mich auch bemühte, ich schaffte es nie, sie so zu verärgern, dass sie mich verstoßen hätte. Im Gegenteil, sie schaffte es immer irgendwie, mir ein besonderes Gefühl zu geben.

Geborgenheit und Sicherheit zählen unter anderem dazu. Vor dem Wandel der Zeit hat sie sich nicht versteckt. Genau das Gegenteil war, und ist der Fall. Wenn ich ihre heutige Erscheinung mit der vor 25 Jahren vergleiche, dann erkenne ich sie gar nicht wieder. Nur mehr schemenhaft kann ich diverse Erinnerungen von dieser Zeit aufrufen. Diesen Fakt finde ich so toll an ihr. Sie hat sich immer tapfer geschlagen, ihre Würde verteidigt und nie den Kopf in den Sand gesteckt und aufgegeben. Wacker hat sie gekämpft und sich so dem modernen Zeitalter angepasst.

Sie hat so viele unterschiedliche Gesichter, schreckt auch nicht zurück, diese offen herzu zeigen. Wir haben schon des Öfteren Nächte erlebt, an denen wir uns beide raus geputzt hatten und dadurch doch recht vorzeigbar waren. Das Gegenteil war auch unzählige Male der Fall. Viele durchzechte Nächte überstanden wir beide mehr, oder weniger gut. Doch auch hier schämte sie sich nicht anschließend die Spuren der vorangegangenen Nacht zu präsentieren.

Im Prinzip ist sie wie eine Schachtel Pralinen, denn man weiß nie so wirklich was man von ihr bekommt. Natürlich ist nicht immer alles eitle Wonne und Sonnenschein. Trotzdem haben wir größtenteils der Zeit ein gutes Verhältnis zueinander.

Staunen, wundern, ärgern, freuen, lachen, all diese Eigenschaften kitzelt sie ab und an aus mir heraus. Wenn wir zusammen Zeit verbringen, gelingt es ihr noch immer, mir ein kleines Schmunzeln abzuringen. Sollte es einmal der Fall sein, dass wir voneinander getrennt sind, dann freue ich mich immer wieder darauf, sie wiederzusehen.

Für manche mag sie nicht wirklich erwähnenswert sein. Für mich ist es sie aber. Doch nicht nur das, sondern sehr viel mehr. Sie schenkt mir ein Gefühl von Vertrautheit, Zugehörigkeit, Identität.

Sie ist eine der wenigen Konstanten in meinem Leben. Sie ist meine Heimat. Sie ist mein kleines verschlafenes Städtchen.

Weiz!