Die Kredenz

Mymoments

von Mymoments

Story

Das allererste Möbelstück, das meine Großmutter unbedingt haben wollte und worauf sie und mein Großvater nach ihrer Hochzeit 1925 eisern sparten, war eine Kredenz. (Für deutsche Leser- das ist eine Art „Anrichte“)

Sie erzählte mir als Kind nicht ohne Stolz in der Stimme, wie wichtig es wäre, eine schöne Kredenz zu haben. Wichtiger als ein Bett, einen Tisch, Stühle oder einen Kasten. Eine Kredenz symbolisierte für sie offenbar Wohlstand. Darin bewahrte sie ihr „gutes Geschirr“ mit dem zarten Goldrand auf, das nur an Sonn- und Feiertagen hervorgeholt wurde. Später, da war sie längt in Pension, schenkte sie das Geschirr meiner Mutter. Und sie nahm es mit ins Waldviertel, wo wir ein altes Bauernhaus als Ferienwohnung gemietet hatten. Fassungslos war meine Oma, dass wir es dort „einfach so“ verwenden durften. Am Land, bei den „Gscherten“.

Ja, meine Oma hatte schon leichte Standesdünkel. Sie war sehr stolz auf ihr „bisserl blaues Blut“. Irgendein männlicher Vorfahre war das uneheliche Kind eines Grafen Dietrichstein gewesen. Dass dieser werte Herr Graf seine Magd geschwängert und dann offenbar verstoßen hatte, war für sie nicht relevant. Nur das „blaue Blut“. Und die Kredenz natürlich, die war sehr wichtig für sie.

Am vergangenen Wochenende fragte ich meine Tante Hansi (eigentlich Johanna) bei einem Besuch, ob sie sich an diese Kredenz noch erinnern könne. Sie wurde 1929 geboren und da zog die kleine Familie (es gab außer ihr schon eine dreijährige Tochter, Stefanie, genannt Stella; meine Mutter Eva wurde erst als Nachzüglerin 1942 geboren) vom Untermietzimmer in die erste eigene Wohnung in der Wattgasse um. Da muss die Kredenz ja mitübersiedelt worden sein.Sie erzählte mir daraufhin, dass auch ihr von ihrer Mutter eingeredet wurde, sie müsse unbedingt als erstes eine Kredenz kaufen für ihre Wohnung, als sie heiratete und auszog. Das tat sie dann auch, sie war sehr streng erzogen worden und richtete sich immer, bis zu deren Tod, nach den Wünschen ihrer Eltern.

„Und dann hab ich die Kredenz gehabt und hab mich gefragt, was ich jetzt damit machen soll, sonst war ja noch nichts da in der Wohnung“, erzählte sie mir dann nachdenklich. Um gleich nachzusetzen: „aber die Mutti hatte schon recht, da konnte ich dann mein ganzes Geschirr und die Wäsche hineingeben…“Ich habe keine Kredenz. Wenn das meine liebe Omi wüsste. Aber ich hab dafür eine bunt beleuchtete Vitrine, und ich hab darin sogar auch feines Geschirr mit Goldrand (Bone China, für besondere Anlässe…)- ich glaub, ihr geistiges Erbe hat irgendwie doch funktioniert. Obwohl mir das bis jetzt gar nicht bewusst war.

Siehst du Omi, du bist nicht vergessen. Und die Vergangenheit lebt in Geschichten fort.

© Mymoments 2019-04-11

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