Die Kunst des Lebens: Lächeln

Jan Louis

von Jan Louis

Story
1978 – 1982

Eine, Krankenschwester kommt zu mir und überreicht mir einen Brief. „Emma hat mich gebeten, Ihnen das zu geben, falls ihr etwas passiert“. Mit zitternden Händen öffne ich den Brief. Darin steht nur ein Satz: „Vergiss nie zu lächeln.“ Tränen steigen mir in die Augen, während ich die Worte lese. Emma hat es geschafft, mir selbst nach ihrem Tod Trost zu spenden. Sie hat mir gezeigt, dass das Lächeln nie wirklich verschwindet, dass es nur versteckt sein kann, und dass ich die Macht habe, es wiederzufinden.

Die Tage nach Emmas Tod waren wie ein nebliger Albtraum. Das Krankenhauszimmer, das einst von ihrem Lachen erfüllt war, fühlt sich jetzt leer und kalt an. Doch tief in mir spüre ich ihre Präsenz, ihre Worte, die mich weiterhin ermutigen. Ich erinnere mich an unser letztes Gespräch über Vergebung. Emma hatte mir gesagt, dass Vergebung nicht für den anderen, sondern für mich selbst sei. In meinem Herzen weiß ich, dass sie recht hat.

Eines Abends, als ich wieder einmal alleine in meinem Zimmer sitze und an Emma denke, nehme ich ein Blatt Papier und beginne zu schreiben. Ich schreibe an den Mann, der mir so viel Schmerz zugefügt hat. Es ist ein langer und schwieriger Brief, in dem ich all meine Gefühle und Gedanken niederlege. Ich erzähle ihm von meiner Wut, meinem Schmerz, aber auch von Emma und ihrer Weisheit. „Ich bin noch nicht bereit, dir zu vergeben“, schreibe ich. „Aber ich weiß, dass dieser Tag kommen wird. Emma hat mir gezeigt, dass Vergebung der Weg zur Heilung ist. Und wenn ich so weit bin, werde ich dir wieder schreiben und dir sagen, dass ich dir vergebe. Bis dahin hoffe ich, dass auch du deinen Frieden findest.“ Ich lege den Stift zur Seite und atme tief durch. Der Brief ist ein erster Schritt, ein Versprechen an Emma und an mich selbst. Ich fühle eine seltsame Erleichterung, als ob eine schwere Last von meinen Schultern genommen worden ist.

Nach meiner Entlassung aus dem Krankenhaus fühle ich mich ein wenig verloren, wieder auf der Straße, aber auch neu belebt durch die Erinnerungen an Emma. Die Tage vergehen, und ich beginne, mein Leben neu zu ordnen. Ich nehme die Lektionen, die Emma mir beigebracht hat, zu Herzen. Ihr Brief bleibt bei mir, eine ständige Erinnerung daran, dass das Lächeln nie wirklich verschwindet.

Eines Tages, einige Zeit später, sehe ich einen Mann. Er sitzt auf dem BĂĽrgersteig, weint und redet verzweifelt mit sich selbst. „Was soll ich tun? Ich kann nirgendwo hin. Wo soll ich heute Nacht schlafen?“, höre ich ihn fragen, die Verzweiflung in seiner Stimme ist unĂĽberhörbar. Ich beschlieĂźe mich zu ihm zu setzen und versuche ihn zu trösten. Er erzählt mir, dass sein Name Ben ist. Heute ist der schlimmste Tag in seinem Leben. Er hat alles verloren, was ihm wichtig ist und ist schlieĂźlich auf der StraĂźe gelandet. Nachdem er mir seine Geschichte erzählt hat, fragt er mich „Wie soll es nur weitergehen?“ Ich fĂĽhle, wie Emmas Worte und ihre Weisheit in mir aufsteigen und ich antworte ihm „Beginne mit einem Lächeln“.

© Jan Louis 2024-06-18

Genres
Romane & Erzählungen, Lebenshilfe
Stimmung
Emotional, Hoffnungsvoll, Inspirierend, Reflektierend, Traurig