von Sophia Kalynteri
Egal wie viele Zertifikate du hast, egal was du alles gelernt hast, wenn du das Gefühl hast, nicht gut genug zu sein, wirst du es auch nie sein. Ich habe in der Mittelschule angefangen, mein Quali gemacht, meine Mittlere Reife und schließlich das Abitur. Dann habe ich mich entschlossen zu studieren. Nach dem Studium habe ich nebenbei noch die Ausbildung als Versicherungsmaklerin abgeschlossen. An sich ist es krass, sich von der Mittelschule hoch ins Studium zu arbeiten. Dann noch locker flockig eine Ausbildung zu absolvieren. Aber ich sehe das nicht. Für mich war es immer selbstverständlich und für alle Menschen zugänglich, sich so hochzuarbeiten, wenn sie das möchten. Ich sehe es als keine besondere Leistung. Ich glaube aber, dass es eine ist und ich mich unglaublich klein mache – das würde zumindest meine Therapeutin sagen. Nebenbei habe ich mir übrigens auch selbst angeeignet, wie man die deutsche Sprache als Fremdsprache gut unterrichtet. Das habe ich auch vergessen zu erwähnen.
Meine Selbstwahrnehmung ist oft verzerrt. Ich bin mir nicht sicher, wenn ich etwas gut mache, ob es einfach ist oder ob es eine Stärke von mir ist. Meistens denke ich, dass es jeder machen könnte und ich klopfe mir viel zu wenig auf die Schulter. Ich bleibe gerne möglichst klein, weil es sich sicher anfühlt. Darunter leidet aber leider mein Selbstbewusstsein und -vertrauen, weil ich mir viel zu selten meine Stärken bewusst bin. Wenn mir jemand Komplimente gibt, kehre ich sie gerne unter dem Tisch, weil die Person ja „nur nett sein könnte“. Kritik aber, sauge ich auf wie ein Schwamm. Verzerrte Selbstwahrnehmung. Aus diesem Grund gibt es bei mir die „Komplimenten-liste“. Jedes Mal, wenn ich ein Kompliment kriege, wird es darin notiert, damit ich es nicht entkräften kann und es gibt mir die Möglichkeit, diese immer wieder nachzulesen.
Aber nun erstmal für mich. Was kann ich gut? Ich bin super zielstrebig. Ich weiß, das hat in letzter Zeit sehr nachgelassen und Fremde würden das nicht von mir behaupten (ja ich rechtfertige mich gerade). Aber ich weiß, wie hart es war das Abitur zu schaffen und in Internationaler Betriebswirtschaftslehre von einer 5 auf eine 1 zu kommen. Damals wusste ich, ich kann das und ich werde mich hinsetzen und das verstehen. Diese Zielstrebigkeit vermisse ich sehr. Ich weiß aber auch, dass sie noch irgendwo in mir drinnen versteckt ist. Ich muss nur mein Ziel wieder finden und meine Flamme entfachen.
Ich bin sehr einfühlsam. Ich fühle alles und ich fühle viel. Ich kann mich immer in andere hineinversetzen und den Schmerz teilen. Ich bin der letzte Mensch, der andere verurteilt. Ich weiß, wie es sich anfühlt sich für Dinge zu schämen und aufgrund dessen belastende Ereignisse für sich zu behalten. Deshalb verurteile ich andere nicht. Für meine Freunde kreiere ich immer einen geschützten Raum. Ich bin lustig. Ich liebe Wortspiele und ich kann viele Menschen, die den gleichen Humor haben, so richtig zum Lachen bringen. Ich kann gut über Gefühle reden. Ich weiß, wie sich jede einzelne Emotion anfühlt, weil ich sie so intensiv fühle. Ich kann vulnerabel sein und ich kann das auch schriftlich sehr gut ausdrücken.
Ich bin gut genug – glaube ich…
© Sophia Kalynteri 2024-09-15