Die Leichtigkeit verloren

Gabriele Leeb

von Gabriele Leeb

Story
Waldviertel 2024

Zurzeit ist mir irgendwie die Leichtigkeit in meinem Leben verloren gegangen.

Philipp wird im Herbst immer lauter und noch sturer. Mein Enkelsohn war gestern schlecht gelaunt und ich wundere mich dann immer wieder, wie viel Wut in ihm drinnen steckt? Er ist jetzt elf und manches Mal habe ich das Gefühl, er ist schon fünfzehn oder sechzehn. So ein richtiger Halbstarker.

Mein Exmann kommt Gott sei Dank nicht mehr jeden Tag, aber dann, wenn er da ist, erklärt er mir noch immer was ich alles besser machen muss und was ich falsch mache. Letzten habe ich ihn gefragt, ob er sich überhaupt selber zuhört, was er redet? Da meinte er nur: Jetzt wirst du aber persönlich und ist abgerauscht.

Ich schlafe schlecht und ich träume und weine viel. Morgen werden die 960 kg Holzbriketts geliefert und ich bin wie immer alleine und von ihm schwappt ständig seine Verzweiflung und Ausweglosigkeit zu mir herüber. Sonst haben wir ja keinen Kontakt mehr. Ich kann mich gegen diese Energie einfach nicht abgrenzen.

Irgendwie ist da eine Nebelwand und ich weiß, dahinter ist die Sonne. Doch der Nebel reißt nicht auf und kaum glaube ich, da ist ein Lichtstrahl, kommt schon wieder irgendetwas Negatives auf mich zu und der Spalt geht zu. Ich mag ja Nebel, wenn man nicht gerade auf der Straße unterwegs ist, aber die Nebelschwaden ziehen nicht fort.

Ich nehme mir gerade alles so zu Herzen und die Mühelosigkeit vom August ist spurlos verschwunden. Ich liebe ja den Herbst, doch momentan herrscht das Grau bei mir vor. Ich bekomme einen erfreulichen Anruf und im nächsten Moment wird ein Termin abgesagt. Dieses Heiß und Kalt raubt mir meine positive Energie. Ich ermahne mich dann selber: Gabi, dir geht’s eh gut. Was jammerst du denn? Meine Tochter hat neulich zu mir gesagt: Mama du bist der positivste und entspannteste Mensch, den ich kenne. Das hat sie mir noch nie gesagt. Das ändert an meinem derzeitigen Auf und Ab allerdings nicht viel.

Ich habe so viel Liebe zu geben und niemand will sie. Ich sehne mich nach Berührungen und sanften Worten und tiefen Gesprächen und zärtlichen Gesten. Mein Kelch mit Gefühlen ist übervoll und die Gefühle rinnen ungebraucht in die Erde. Ich denke bei mir: was für eine Verschwendung.

Gabi, reiß‘ dich zusammen. Es wird schon wieder!

Dann kommt mein Seelentröster, mein Kater Simba und stupst mich an und seine Augen freuen sich so, mich zu sehen und er legt sich ganz nah zu mir und beginnt zu schnurren. Für eine Weile ist meine Welt wieder in Ordnung.

Schade, dass ich nicht zaubern kann und er zu einem Mann wird. Aber wahrscheinlich ist er als Kater ein besserer Mensch!


Foto: Pinterest/ Sprüchetante Kerstin

© Gabriele Leeb 2024-09-26

Genres
Biografien
Stimmung
Herausfordernd, Emotional, Informativ