Jedes Wochenende der gleiche Plan. Zuerst bei der besten Freundin aufbrezeln und dann ab in die Stammdiskothek. Was soll man mit 17 auch machen? Den Führerschein hat man noch nicht. Die Eltern holen einen zwar zu jeder Tages- und Nachtzeit ab, aber eben nur von gewissen Lokalen. Ein paar Mädels aus ihrer Klasse waren schon erfolgreich, sie hatten bereits einen Freund mit Auto. Tja, sie nicht. Das war nicht weiter schlimm, denn an den letzten zwei Wochenenden war dort jemand. Ein männlicher jemand. Klein, schlank und, ganz wichtig, dunkelhaarig. Jedes Mal sah sie ihn an der gleichen Stelle, mit den gleichen Leuten. In Summe eine sehr unsympathische Runde. Die Mädels wirkten hochnäsig, die Burschen proletoid. Doch einer stach heraus. Er war fröhlich und lachte viel und er gefiel ihr. Trotzdem beschloss sie, ihn einfach nicht zu mögen, das ist einfacher. Auf diese Leute, auf diesen Freundeskreis hatte sie keine Lust. Sie hatte eine Meinung über ihn. Jemand, der mit solchen Leuten zusammen ist, kann einfach nicht zu ihr passen. Ihre Blicke trafen sich immer, wenn sie aneinander vorbei gingen, er lächelte sie an. Natürlich lächelte sie zurück, jedoch würde sie ihn nie ansprechen. Sie wurde nach der Devise „ein Mädchen rennt keinem Burschen nach“ erzogen. So etwas gehört sich nicht. An diesem Wochenende gab es jedoch kein Entkommen. Auf einmal stand er neben ihr und sagte: „Meinst du nicht, wir sollten endlich etwas miteinander trinken?“ Sie war sprachlos und froh zugleich. Hätte er nicht den ersten Schritt gemacht, sie hätte es nicht getan. Das Gespräch verlief gut und sie verabredeten sich zum Essen. Immer wieder hielt sie an dem Gedanken fest “nicht mögen, nicht verlieben”! Sie musste von ihrer Mutter gebracht werden, er kam mit seinem eigenen Auto. Sie aßen gemeinsam, anschließend gingen sie spazieren. Sie war nicht romantisch, das merkte er sofort. Jedes Thema, das auch nur annähernd Gefühle beinhaltete, wurde von ihr im Keim erstickt. Es störte ihn nicht. Beide waren nervös und bemühten sich, keine Stille aufkommen zu lassen. Er, aus Angst, sie könne denken, er sei ihr nicht gewachsen und sie, weil sie dachte, in einem stillen Moment könne er versuchen, ihr näher zu kommen. Sie wünschte sich, dass er wieder den nächsten Schritt macht, aber was, wenn sie sich verliebt? Sie mag ihn doch gar nicht. Sie setzten sich auf eine Parkbank, er fasste all seinen Mut zusammen und küsste sie. Es war ein wundervoller erster Kuss. 20 Jahre später erinnern sie sich gerne daran. Und wenn sie streiten, dann sagt sie ihm: “Ich liebe dich, aber ich tu mir gerade schwer, dich zu mögen!“ “So wie damals?”, fragt er lächelnd. “Ja! Aber keine Angst, das vergeht. Die Liebe bleibt.“
© Daniela Hasenzagl 2021-10-12