von Jasmin Stahl
Im Park lerne ich Zwirni kennen, wie so viele andere auch. Er war in einem anderen Heim und ist danach bei seiner Oma in Weiden gestrandet, auf der Suche nach einer Unterkunft. Er ist der Erste, der in die MoltkestraĂe 5 zieht. âDie M5â entsteht. Es ist ein abgefucktes Reihenhaus in einer langweiligen StraĂe. Vier Wohnungen gibt es hier, eine pro Stockwerk. AuĂer ihm wohnt hier ein Vietnamese, der aber bald auszieht, und alle anderen Wohnungen werden in den nĂ€chsten Jahren von unserem Gesindel besiedelt. Zwirni im Erdgeschoss mit Karsten, der nicht mehr mit der Maggi-Fix-Tussi zusammenleben will. Karstens Platz wird irgendwann von Bummel eingenommen, denn Karsten landet bald im Knast. Bummel taucht einfach in Weiden auf, ein Punker ohne Plan, aber mit zu viel Testosteron. Im zweiten Stock zieht bald Ela ein, das Grufti-MĂ€del der Stadt. Wieder aus dem Nichts taucht der nĂ€chste Punker auf: Jimmy. Er landet in Elas dĂŒsterer Wohnung und im Bett. Niemand weiĂ, ob sie nun zusammen sind oder nicht. Hier verbringe ich meine Wochenenden und gestehe Zwirni meine endlose, freundschaftliche Liebe. Nachdem ich die Flasche Korn alleine leere, beginnt die sentimentale Aufarbeitung meiner GefĂŒhle. Eine tiefe Umarmung, unverstĂ€ndliche Worte und ein warmer FuĂ: âIgittâ, erwidert er mir meine Offenbarung. Mir lĂ€uft Kotze aus dem Mund und tropft an ihm auf seinen FuĂ hinunter. âIch muss los!â, um den letzten Zug zu erwischen und zurĂŒck ins Heim. Meine Erinnerung besteht ab jetzt aus Fetzen. Mein Gesicht klebt auf der Klobrille der Zugtoilette, wĂ€hrend ich weiter kotze. Im Heim angekommen, stolpere ich gegen die ZimmertĂŒr meiner Erzieher: âHallöchen, ich bin wieder da.â Prompt wird das Alkohol-BlasegerĂ€t ausgepackt. „Der Highscore ist das Einzige, worauf es wirklich ankommt“, setze ich mir zum Ziel. â3,1 Promilleâ, zeigt das GerĂ€t an. Ich bin stolz auf mich. Meine Erzieher nicht. Am nĂ€chsten Tag ist der Ărger garantiert.
Die M5 macht einen Ausflug nach Grammelkam, wo die wenigsten Menschen hausen! Das Ortseingangsschild ist nicht weit entfernt vom Ortsausgangsschild. Ein uriges Wirtshaus steht hier in der bayerischen PrĂ€rie. Es wird nicht mehr als Wirtshaus genutzt. Wir besuchen dort Freunde; Steffen lebt dort. Steffen kennen wir von einer Party. Wir entscheiden uns suffartig fĂŒr eine Spritztour auf seinem Roller. Dunkelheit umgibt uns, Alkohol umhĂŒllt uns, und Steffen steht total auf mich. AlkoholgetrĂ€nkt kutschiert er mich durch die Pampa, doch die GemĂŒtlichkeit endet schnell. Wir kommen vom Weg ab und landen im Graben, der Roller obenauf. Wir sind unverletzt und schaffen es zurĂŒck. „Schwein gehabt“, denken wir uns ohne Worte, denn Steffen ist wohl zu verliebt, um ein Wort herauszubringen. In der Zwischenzeit sitzen Danny und Bummel auf einer Bierbank drauĂen. Danny ist ein Schulfreund, den ich aus dem Park kenne. Als Bummel Danny aus Jux von der Bank schubst, landet er so unglĂŒcklich auf seinem Gesicht, dass er sich eine Platzwunde zuzieht. Blut spritzt, ein Taschentuch reicht nicht aus. Ein Punkermassaker in Niederbayern! Es geht ins Krankenhaus. Danny muss genĂ€ht werden, wĂ€hrend Bummel dort die Toilette anzĂŒndet. Rauch steigt auf, die beiden hauen ab. Meine Erzieher erreichen mich nicht. Irgendwann zurĂŒck im Heim hole ich mir meinen Ărger ab. Was ist in all den Tagen eigentlich passiert?
© Jasmin Stahl 2024-07-01