Die Macht der Oberhexe

Kira Denker

von Kira Denker

Story

Das junge Vampirmädchen begab sich am nächsten Tag gegen Nachmittag, der sichersten Tageszeit für junge Dämonen auf den Inseln, ins Territorium der Hexen. Obwohl sie seit einigen Wochen regelmäßig das Haus der Oberhexe und Gildenführerin, Lilith Charon besuchte, um Elena zur Abendschule zu begleiten, war ihr jedes Mal mulmig zumute. Denn Hexen waren das Äquivalent zu Polizist*innen aus der Menschen-Welt. Noch dazu wurden Vampire aller Art, ebenso wie Werwölfe strenger bewacht, als die meisten anderen Dämonen und teilweise sogar gejagt, da beide Arten einen ähnlichen Jagdinstinkt in sich trugen, der anderen Dämonen und Mischwesen in ihrer Nähe gefährlich werden konnte. Sie klopfte an die Tür der bescheiden aussehenden Hütte und wurde wie gewohnt von kleinen Zauberwesen begrüßt, die ihren Körper abflogen und sie überprüften. Als sie dabei wie gewohnt ihre Arme anhob, flog eines von ihnen versehentlich gegen ihre Wange und ließ sie aufbrüllen: „Hey, pass doch auf, wo du hinfliegst, Flattervieh!“ Es ergriff beim Anblick ihrer Fangzähne schnell die Flucht und entschuldigte sich in seiner piepsigen, für sie unverständlichen, Sprache. Die anderen Wesen flogen ebenfalls wieder hinein, nachdem sie ihre Aufgaben erfüllt hatten. Die Tür schwang mit einem lauten Knall auf und enthüllte die bereits hellwache Oberhexe. Sie begrüßte das junge Mädchen mit einem breiten Lächeln: „Aimee Lamia, willkommen! Wie ich sehe, ist dein Blutdurst weitestgehend gestillt und dein Körper nicht in Jagdstellung. Gut gemacht, komm rein.“ Die junge Dämonin griff angespannt nach den Gurten ihres Rucksacks und trat mit einem kleinlauten: „D-Danke Ihnen.“, ein. Lilith ging bereits voraus und kramte in ihrer chaotischen Küche nach etwas, während Aimee die Tür schloss. Abgesehen von der Küche, war das gesamte Häuschen ordentlich. In der Küche stand ein Kessel von gut einem Meter Durchmesser mit pinker brodelnder Flüssigkeit darin über einer magisch kontrollierten Flamme. Außerdem hingen unzählige verschiedene Kräuter an der Decke, die sie wohl für ihre Tränke verwendete. Das Mädchen schreckte auf, als die Hexe ein kleines Einmachgläschen mit Pillen hervorkramte und in die Höhe streckte: „Da hab ich’s doch!“ Sie hielt dem Kind ihre freie Hand hin, während sie auf sie zuging: „Aimee, du hattest mich vor einer Weile gefragt, ob es einen Weg gäbe, deinen Blutdurst bezüglich Elena zu mindern.“ Das Vampirmädchen legte ihre Hand in die der Hexe und nickte. Ihr neugieriger Blick folgte dem Fläschchen, welches die Hexe ihr nun sanft übergab: „Nun … Ich habe herumprobiert. Mit diesen Pillen ist es dir nicht nur möglich ihn zu vermindern, sie sollten ihn komplett unterdrücken.“ Die Augen des Mädchens weiteten sich mit Vorfreude: „Ja, wirklich?“ Die Hexe blickte ihr ernst in die Augen: „Aber sei dir bewusst, was du damit tust. Es kann lebensgefährlich für einen Vampir werden, wenn er zu wenig Blut trinkt. Selbst wenn der Durst gestillt ist, musst du weiter trinken. Die Pillen sind außerdem nur ein Prototyp. Bist du sicher, dass du Versuchskaninchen spielen möchtest?“ Ohne einen Zweifel in ihrer Stimme steckte das Mädchen die Pillen in ihre Schultasche: „Ja, Miss Charon! Ich möchte alles dafür tun endlich mehr Zeit mit Elena verbringen zu können! Sie soll keine Angst haben müssen.“ Besagtes Mädchen kam kurz darauf die Treppe herunter. Die Hexe meinte: „Wie du möchtest.“

© Kira Denker 2023-08-30

Genres
Romane & Erzählungen, Spannung & Horror