Die MĂ€nnerwahrnehmung

Franz Brunner

von Franz Brunner

Story
Steyr 2024

Manchmal sind sie wahrlich eine drollige Runde. Manchmal, weil sie sich nicht stĂ€ndig gegenseitig am imaginĂ€ren Kittel hĂ€ngen, und drollig, weil ihnen allesamt der Schalk im Nacken sitzt, z.B. dann, wenn sie gewissenhaft ihre WeinbestĂ€nde auf QualitĂ€t prĂŒfen. Und sie, das sind drei benachbarte, lebenslustige PĂ€rchen. Der Datenschutz verbietet nĂ€here Angaben, nur so viel sei verraten: Sie haben – zumindest theoretisch – mehr Zeit als frĂŒher im Erwerbsleben. Dieses mehr an Zeit verbringen sie fallweise damit, sich Kurioses aus dem Alltag zu erzĂ€hlen und sodann wohlwollend zu kommentieren. Zuletzt ergab es sich bei der Planung eines gemeinsamen Ausflugs ins Burgenland. Zum Weinbauern, versteht sich. Silvana und Alfons luden zum GesprĂ€ch, Adriana und Nikolaus sowie Galina und Fritz folgten der Aufforderung gerne. Der Wein war wie ĂŒblich von bester QualitĂ€t und zu knabbern gab’s auch was. VerstĂ€ndlich, dass die Ideen nur so sprudelten. Und plötzlich ging‘s um ein heikles Thema: die unterschiedliche Wahrnehmung von Mann und Frau. Sehr heikel, da kann Mann sich schon mal ordentlich in die Nesseln setzen. Adriana hatte sofort was zu berichten. Vor einiger Zeit verlangten ihre Haare dringend nach Styling. Ein echter Notfall, daher wollte sie ihre Friseuse unangemeldet aufsuchen. Nach mehreren Stunden kam sie zurĂŒck, eine durchaus angemessene Zeit fĂŒr ein Meisterwerk. Nikolaus musste sich schon mehrmals den Vorwurf gefallen lassen, dass er die BemĂŒhungen seiner Gattin ihre Schönheit betreffend zu wenig beachtet. Diesmal nicht, diesmal lobte er ihr Styling ĂŒber alle Maßen. Großartig, meinte er, die neue Frisur stĂŒnde Adriana ausgezeichnet. Das Problem: Die Friseuse hatte keine Zeit fĂŒr sie, ihre Haartracht blieb folglich unangetastet. Silvana war dran, ĂŒber ihren Alfons zu berichten. Die beiden lernten sich erst spĂ€t kennen, da fehlt natĂŒrlich manch gemeinsame Jugenderfahrung, z.B. Moped fahren. Nach einem Strandtag in Griechenland war’s Zeit, wieder ins Quartier zurĂŒckzukehren. Also rauf auf’s Zweirad und ab. VergnĂŒgt summend und den Wind im Haar kurvte Alfons durch die griechischen Kurven, um beim Hotel festzustellen: Da fehlt was. Ein kurzer Kontrollblick bestĂ€tigte: Ja, da fehlt was. Er hatte Silvana am Strand vergessen. Jetzt war auch klar, warum das Moped so klaglos die steilen Passagen meisterte. Fehlt nur noch Fritzens Hoppala. Es ist ja nicht selten, dass einzelne Modetrends an manchen MĂ€nnern vorbeiziehen, Fritz ist da besonders immun. So streifte er eines Morgens das nĂ€chste Hemd in Griffweite ĂŒber, welches seine Liebste ihm anscheinend vorbereitet hatte. Als er am Abend nach Hause kam, schlug Galina die HĂ€nde vor’s Gesicht, um nach dem ersten Schock einem Lachanfall nachzugeben. Hatte Fritz tatsĂ€chlich das zerknĂŒllte Design des bunten Hemdes als Modetrend interpretiert und es bedenkenlos der Außenwelt vorgefĂŒhrt. Dass die Falten kein Trend, sondern nur ein BĂŒgelmanko war, kam ihm nicht in den Sinn. MĂ€nnerwahrnehmung eben.

FĂ€llt euch was auf? Nicht? Gut, dann helfe ich nach: 3 Paare, 3 kuriose VorfĂ€lle, alle drei vom jeweils mĂ€nnlichen Part verursacht und mit diebischer Freude von den Damen geschildert. Dabei ist es keineswegs so, dass es ĂŒber die Ehefrauen nicht genauso Seltsames zu berichten gĂ€be, aber der Mann von Welt ist da völlig anders, viel rĂŒcksichtsvoller, viel toleranter. Er genießt, lĂ€chelt und schweigt. Ja, so sind reife MĂ€nner. Schadenfreude und RachegelĂŒste sind ihnen völlig fremd, sie sind meist mit sich und der Welt im Reinen. Und immer noch verliebt.

© Franz Brunner 2024-11-01

Genres
Humor& Satire
Stimmung
Emotional, Komisch, Unbeschwert
Hashtags