von Dorothee Bliem
In der Podcast-Historie meines Freundes M. fand sich neulich ein Interview mit einer Domina. Das passt zu ihm! Nicht etwa wegen sadistischer Neigungen – der M. findet es wichtig, auch beruflich einen offenen Horizont zu wahren. Damit er beim Karriereeinbruch schnell umsatteln kann. Und wenn wir der Coronakrise etwas Positives zu verdanken haben, dann ja wohl hoffentlich vermehrte Flexibilität. Warum also nicht gleich ins horizontale Gewerbe wechseln? Was mich nun an der ganzen Sache verunsichert, ist die Frage des Terminus. Wie müsste sich der M. bezeichnen, wenn er Tastatur gegen Peitsche eintauscht? Und nein: Googeln gilt nicht! In einer Welt voller Corona-Leugner*innen und Menschen, die nur aus Angst vor Geimpften zur Maske greifen, möchte ich mich lieber meines eigenen Verstandes bedienen.
Vorsorglich habe ich dem M. schon ein paar Vorschläge gemacht, auch, wenn er gar nix davon wissen wollte. Zur Auswahl stand: der Domino (nach romanischem Vorbild), der Dominus (um sich auf die lateinischen Wurzeln zu berufen) und der Dominer (um das Ganze in die germanische Richtung zu rücken).
Der M. ging auf keinen meiner Vorschläge ein, also muss ich die unterschiedlichen Varianten selber ausprobieren:
„Mein Freund ist Domino.“ Fühlt sich nicht richtig an. Klingt zu herzig für den Berufsalltag und erinnert zu sehr an die kleinen Steinchen, die dank Linda de Mol ihre 15 minutes of fame hatten.
Wenn ich meinen Freund hingegen als „Dominus“ anpreise, sollten wir uns von intellektuellen Gesprächspartner*innen fernhalten. Die wollen sich sonst nur in unserem „Domus“ (das heißt doch Haus, oder?) verabreden, um über alte Schriften zu quatschen. Am Ende wären sie dann enttäuscht, wenn der M. berufsbedingt nur das Kama Sutra studiert. Wobei: Ich habe mir sagen lassen, dass das nicht unbedingt zu den Aufgaben einer Domina gehört. Anscheinend gibt es auch Dominas, die man nicht einmal anfassen darf. Für welche Variante sich der M. entscheiden würde, hat er noch nicht preisgegeben.
Auch vom „Dominer“ bin ich nicht überzeugt. Erinnert zu sehr an Hunderasse. Dabei wäre dann doch genau der M. der mit der Leine. Außerdem würde dies nahelegen, die Domina als Dominerin zu bezeichnen, und diesen Triumph will ich den „Dominern“ nicht gönnen. Immerhin ein paar Berufe sollten es geben, in denen nicht die Frau das ableitende Anhängsel ist, sondern umgekehrt!
Aus demselben Grund bin ich gegen die Alternative, einen neuen Begriff zu schaffen. Dem Beispiel der Hebamme folgend, könnte man – analog zum „Entbindungspfleger“ – schließlich auch den Begriff „Schmerzdienstleister“ in Betracht ziehen. Oder so. Wem was Besseres einfällt, möge dies kommentieren.
Von mir aus kann der M. also auch einfach Domina werden. Hier stellt sich nur die Frage, ob er sich in der Stellenausschreibung dann mitgemeint fühlt. Ein Experiment wäre es wert.
© Dorothee Bliem 2021-05-17