Die Marion, die Marion, aus Potsdam/DDR

PETER MANDL

von PETER MANDL

Story

(Zu singen nach der Melodie von Die Juliska, die Juliska aus Buda- Budapest von Marika Rökk).

Wolfgang war der junge Neffe meiner Lieblingskollegin, eine Art Kontaktmann zum Libyschen Volksbüro des Herrn Muammar el Gaddafi und deshalb für mich politisch halbwegs tragbar.

In den Siebzigern machten wir beide (19 bzw 33) uns eines revolutionären schönen Tages im orangenen 2CV mit grünem Fetzendachl auf den Weg ins Paradies der Arbeiter und Bauern. Wir bezogen Quartier nahe dem dekadenten Kurfüstendamm, fuhren jeden Morgen mit der SBahn “nach drüben“, kauften die Karl- Marx- Buchhandlung leer, wallfahrteten zum Herrn Brecht auf den Dorotheenstädter Friedhof und erzwangen uns mit Simmeringer und Salzburg- Riedenburger Schmäh Eintritt ins stets ausverkaufte Berliner Ensemble.

Die seit Kaisers Zeit berühmte Weisse Flotte auf Spree und Havel unterhielt auch eine Art von Disco- Schiffen, für die man sich ebenfalls schon Jahre vorher im Kreml anmelden musste.

Abermals dialektisch- materialistischer Einserschmäh: flugs waren wir drin und wurden zu zwei duften realsozialistischen Bienen, einer Studentin und einer Schwesternschülerin der berühmten Charité, gesetzt. Dann ging alles seinen zwangsläufigen sozialistischen Gang.

Ich wusste einen freundlichen Herrn im xten Stock eines Plattenbaus der Stalinallee (pardon, damals wohl schon Karl-Marx- Allee), der das Pouvoir hatte, Tagesvisa für die ansonsten gesperrte Rest-DDR auszustellen. So konnten wir zwei Reaktionäre auch außerhalb des doppelt abgeriegelten Ostberlin walten.

Der Krankenengel Marion (19) hatte Papas schöne Wohnung im historischen Potsdam zur Verfügung. Wir verfügten uns zu viert dorthin. Es floss Berliner Kindl- Schultheiss, im Intershop um harte Schillinge erworbener Stolichnaya und Moskowskaya- Wodka oder auch Sowjetskoje Schampanskoje, vom ignoranten Westen immer als Krimsekt bezeichnet (den Krimskoje hat aber der Genosse Breschnew selber gepiperlt), jedenfalls ließen wir den Herrgott (= für mich bis heute der Marx-Karl) einen guten Mann sein. Das zweite Mädchen war die Tochter eines höheren SED-Funktionärs und musste darum, von Wolfgang eskortiert, um Mitternacht wieder in der DDR-Hauptstadt sein. Ich blieb, legal oder nicht (. . der werfe den ersten Stein).

Marion, plötzlich wie selbstverständlich oben ohne: wollnwa gleich ins Schlafzimmer oder bleiben wir vorerst hier im geheizten Wohnzimmer? Ich war perplex. Vor Schreck rührte sich eine ganze Weile garnix, nicht einmal der kleine Finger.

Am nächsten Morgen, im Pergamon- Museum, klagte ich ihr von der Sprödheit der österreichischen Mädchen, namentlich in deren Wiener Variante. Marion: Mensch, zieh’ doch in die DDR, hier könntest du durch die Jejend knallen! Kurz darauf, belauscht vom Aufpasser: Mensch, ich könnt’ schon wieder!(?)

Zurück in Salzburg brauchte ich tagelange psychische Erholung. Soweit das Sittenbild aus der prüden, verklemmten “Sowjetzone“.

© PETER MANDL 2021-06-16