Die Meditationsdecke

Ulrike Puckmayr-Pfeifer

von Ulrike Puckmayr-Pfeifer

Story

Es war während meines vorletzten Aufenthaltes in England bei meiner Tochter. An einem Samstag nahm sie mich und meinen Mann zu einer Ausstellung mit. Es ging um weibliche Kunst, glaube ich. Es gab Gemälde, Zeichnungen, Skulpturen, … alles zum Thema Frausein.

Da war auch ein Zelt. Das sei das Menstruationszelt, erklärte mir meine Tochter. Männer dürfen da nicht hinein. Während sich mein Mann anderswo umschaute, betraten meine Tochter und ich das Zelt. Eine wohltuende Stille umfing mich. Zwei strickende, miteinander ganz leise redende Frauen saßen schon auf dem bunten, mit kunstvollen Decken und Polstern ausgestatteten Matratzenlager.

Ich war sofort von den wunderschönen Strick- und Häkelkunstwerken fasziniert. Ich bin nämlich leidenschaftliche Strickerin und Häklerin.

Meine einfühlsame Tochter bemerkte meine Begeisterung und meinte, sie würde ohnehin so eine Decke für ihren Therapieraum brauchen. Wenn ich Lust hätte, könne ich ihr eine machen.

Sofort begann ich im Internet nach einem passenden Modell zu suchen. Es sollte etwas besonders Schönes und Buntes sein, mich fordern, aber nicht überfordern.

Zu Hause in Wien fand ich die Anleitung zu einer wunderschönen Patchworkdecke. Es sollten 84 Vierecke gehäkelt werden. Dann zusammengehäkelt und als Abschluss eine Umrandung mit einem speziellen Spitzenmuster. Ich kaufte Wolle und machte mich mit Enthusiasmus an die Arbeit. Ich häkelte zu Hause, im Zug, in den Wartehäuschen der Bahnstationen, in den Wartezimmern von Ärzten. Bald hatte sich ein stattlicher Stapel von Vierecken angesammelt. Die Decke war bald fertig.

Beim nächsten England-Besuch brachte ich ihr die Decke mit. Sie gefiel ihr und nahm sie mit Freude an. Sie sagte, das wäre ein Meisterstück. Die Anerkennung tat meinem Ego gut.

Bald darauf häkelte ich eine zweite Decke für meine jüngere Tochter in Wien. Sie bekam sie als Weihnachtsgeschenk. Dann für meine Freundinnen, für meine Nichte. Bald hatte ich um die 10 Decken herum gehäkelt. In meiner Wohnung habe ich mittlerweile auch zwei davon. Eine benutze ich als Vorhang, der den Schlafbereich vom Wohnbereich trennt. Die andere ziert einen grauen Polstersessel und macht ihn zu einem Blickfang.

Häkeln und Stricken sind für mich wunderbare Methoden der Entspannung und Meditation. Ich komme oft in einen Flow, die Gedanken hören auf zu kreisen und eine angenehme Leere erfüllt meinen inneren Raum.

© Ulrike Puckmayr-Pfeifer 2020-10-08

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