von Thomas Roschitz
„Ok, Ok… Als nächstes die Bananen!“ Ich hielt mir den Bauch, der vor Lachen schon weh tat, als ich Vanessa dabei zusah, wie sie in der Küche verschwand. Nur Sekunden später kam sie zurück, mit drei Bananen in der Hand. Kichernd streckte sie mir entgegen und ich stopfte sie sofort in die Mikrowelle, die vor mir auf dem Boden stand.
Eigentlich hatte ich das Gerät nur ins Wohnzimmer geholt, damit wir beim Herr der Ringe Marathon mit ausreichend frischem Popcorn versorgt waren, doch den Gefährten folgten wir schon lange nicht mehr auf ihrem Weg nach Mordor. Nein. Unsere Mikrowelle war hier das eigentliche Highlight.
„Was denkst du, wie lange die Bananen brauchen?“, fragte ich und starrte durch die verdunkelte Scheibe. Meine Mitbewohnerin legte sie auf die Waage. „Also das Brot hatte knapp einen halben Kilo und hat dreißig Sekunden gebraucht. Die Bananen haben sechshundertzehn Gramm also… so circa siebenunddreißig Sekunden.“ Da machte sich die Mathe-Studentin bemerkbar.
Sekundengenau stellte ich den Timer ein und wir sahen dabei zu, wie die Bananen sich drehten und drehten. Es dauerte fast zehn Sekunden, ehe ein helles Licht in der Mikrowelle zu blitzen begann und als sie schließlich piepte, war es vollbracht. Die Bananen waren weg. Zumindest erschien es auf den ersten Blick so. Auf der Mitte des Glastellers lagen drei kleine Krümel, so groß wie Reiskörner… und so gelb wie Bananen. Genauso, wie es vorher war. Auch das Brot wurde zu einem kleinen braunen Körnchen.
„Hier.“ Ich reichte Vanessa eine Pinzette, mit der sie die kleinen gelben Krümel aufhob und sich einen in den Mund steckte. „Wow!“ Mit den Schneidezähnen kaute sie darauf herum. „Der ganze Geschmack einer einzigen Banane, aber total konzentriert.“ Sofort riss ich ihr die Pinzette aus der Hand und schnappte mir auch eine der Minibananen.
Schon in dem Moment, als ich sie mir auf die Zunge legte, füllte sich mein Mund mit intensivem Geschmack. Obwohl wir die Früchte samt Schale in die Mikrowelle gesteckt hatten, waren sie nicht bitter, sondern süß und fruchtig. Seltsamerweise war sie aber nicht warm, anders als Brot und Popcorn zuvor.
Als Frodo endlich den Ring in die Lava des Schicksalsbergs warf, warfen auch wir den letzten Ring, also einen Donut, in die Mikrowelle. Mehr hatten wir nämlich nicht mehr zu Hause. Alles was irgendwie essbar war, war bereits im Inneren dieser Maschine und anschließend in unseren Mägen gelandet.
Natürlich wollten wir am nächsten Tag mit den Experimenten fortfahren, doch Vanessa empfing mich voll Trauer und nahm mir niederschlagen den Einkauf ab. „Die Mikromikrowelle ist kaputt…“ seufzte sie und zeigte auf den Teppich im Wohnzimmer. Das Kabel endete zwischen den langen blauen Fasern. „Ich wollte sehen, was passiert, wenn sie leer ist“, hörte ich meine Mitbewohnerin noch hinter mir sagen, ehe ich in Gelächter ausbrach. Das Ergebnis ihrer Neugier war erstaunlich. Wir hatten ab nun wohl eine Mikromikromikrowelle in der Größe eines LEGO Steins.
© Thomas Roschitz 2022-07-03