Die Mikrowelle

Hermann Karosser

von Hermann Karosser

Story

In unserem Haushalt gibt es bis heute keinen Mikrowellenherd. Wir waren uns immer einig, dass ein solches GerĂ€t KĂŒchenkultur mit Fastfood und Fertiggerichten symbolisiert. Da wollten wir nicht mitmachen, schon aus Prinzip nicht.

HĂ€tten wir eine Mikrowelle, wĂŒrde ich von heute an, wenn ich sie verwendete, wahrscheinlich immer an meine Therapie in Bad Trissl erinnert. ‚HYPERTHERMIE‘ ist das große Wort. Soll heißen, der Körper wird an der Stelle, wo schnellwachsende Krebszellen vorhanden sind oder vermutet werden – bei mir also an Oberschenkel und HĂŒfte – auf 42 Grad erhitzt, damit die gleichzeitig laufende Chemotherapie in diesem Bereich des Körpers besonders effektiv, also aggressiv wirken kann. Sie sprechen dabei tatsĂ€chlich ganz offen von ‚Mikrowelle‘.

Vor der Hitze kommt die Flasche. 2 Liter laufen in 2 Stunden ĂŒber den Port in mich hinein. Noch keine Chemotherapie, sondern Kochsalzlösung und so Zeug, natĂŒrlich auch Medikamente. Der Körper muss gewĂ€ssert werden, vor allem die Nieren zum Schutz vor der Chemotherapie. Schon sind 2 Stunden um.

Anschließend kurze Visite vom Chefarzt: „Denken sie, wenn’s hernach warm wird, einfach an einen schönen Ort. Einen Badestrand, da ist es auch heiß. – Oder nehmen Sie’s als Wellnessaufenthalt 
 einschließlich Sauna“. – Ich mag doch keine Sauna.

SpĂ€ter dann liege ich wie ‚Christus am Kreuz‘ mit ausgebreiteten Armen, aber ohne Lendenschurz auf einer schmalen Liege. Es ist eher eine HĂ€ngematte, zwei Holme links und rechts und dazwischen eine Kunststoff-/Textilbespannung. Am Port sind schon die SchlĂ€uche fĂŒr die Chemotherapie und die Nierenkontrolle angeschlossen. Unten krieg ich Blasen- und Darmkatheder, weniger wegen der ‚Entsorgung‘ als vielmehr, um die Temperatur in diesen Körperteilen zu messen und evtl. eingreifen zu können. Auf meinem Bauch liegt ein riesiger Wassersack, umgeben von einer kurzen Metallröhre. Damit soll gleichzeitig fĂŒr die Verteilung der Hitze und fĂŒr KĂŒhlung gesorgt werden. Ganz schön schwer.

Das eigentliche MikrowellengerÀt hÀngt an einer Art Galgen unter der Decke. Es ist durch Leitungen mit der Röhre auf meinem Bauch verbunden.

Die Schwestern kĂŒmmern sich rĂŒhrend. Schauen, dass ich entspannt liege, versorgen mich mit nassen TĂŒchern und KĂŒhlakkus und betonen immer wieder, dass ich mich sofort melden soll, wenn’s schmerzt.

Von einem Nebenraum aus wird die Hyperthermie gestartet. Es geht ganz dezent los, aber so in der Mitte der 1 œ Stunden bei voller Leistung drĂŒcke ich doch mal den roten Knopf. Es war unertrĂ€glich geworden auf der noch jungen Operationsnarbe. Sie reduzieren die Hitze stark, fahren dann aber wieder hoch, allerdings nicht mehr ganz so weit wie vorher. Es ist nicht angenehm, aber ich halte bis zum Schluss durch. Von wegen Wellness!

„Gut gehalten, Herr Karosser! Morgen nur Chemotherapie, ohne Hyperthermie, aber ĂŒbermorgen sehen WIR uns wieder“. Klingt ein bisschen wie eine Drohung. 
. Aber wenn’s hilft. „Bis ĂŒbermorgen!“

© Hermann Karosser 2021-05-25

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