von Ishmael Kardryni
Sie stellte die Teekanne auf den Tisch und wollte sich raus schleichen.
„Bleib doch eine Weile hier.“ Ich griff ihre Hand: „Ich habe mir gerade eine neue Geschichte ausgedacht: Die fröhliche Muse.“
„Und worum soll es gehen?“ setzte sie sich neben mich.
„Um einen Schriftsteller und seine Muse.“ Ich fasste ihren Schenkel, bis sie meine Hand vor Schmerz wegschob.
„Oh. Total klischeehaft“, sagte sie und warf einen Blick auf meinen Bildschirm, wo ihre Antwort stand: „… so was von Klischee.“
„Nein,“ wühlte ich ihrem schwarzen Haar. „Es geht um einen engagierten Künstler und seine Muse. Inspiriert stellt er sich wagemutig gegen den Faschismus.“
„Oh. Das klingt wie ein Befreiungsstück aus der 68er-Revolution“, spottete sie.
„Hm … vielleicht.“ Ich nahm ihre Hand und küsste sie bis zum Ellenbogen. „Erich Fromm hat mal was Ähnliches geschrieben. Über masochistische Strebungen, über Gefühle von Minderwertigkeit, Ohnmacht und … wie hieß das nochmal?“ Ich schlug Fromms Die Furcht vor der Freiheit nach. „… individuelle Bedeutungslosigkeit.“
„Klingt langweilig. Spekulative psychoanalytische Krempel über autoritäre Familien und Gesellschaften. Mit so was hat uns der Literaturprofessor eingeschläfert.“
Sie stand auf und wollte gehen. Ich streichelte ihre pampelmusige rechte Arschbacke. „Warte! Die Neigung, so Fromm, sich selbst herabzusetzen und sich äußeren Mächten zu unterwerfen, sei mit Sadismus verbunden. Wir sind geneigt abhängig und ausgebeutet zu sein, manchmal mit Freude. Man könnte das irgendwie in eine Geschichte gegen den drohenden Faschismus einbauen.“
„Die Kreditkartenrechnung. Wir haben wieder eine Mahnung.“
Ich liebkoste ihren Bauch und zog ihren Körper zu mir. Sie rührte sich nicht. „Was kann man der destruktiven Macht des schleichenden Faschismus entgegensetzen, wenn nicht unsere altbackene Kreativität?“
„Auch in der Uni hast du mich mit solchen Sprüchen nicht beeindruckt“, sagte sie trocken.
„Ich weiß. Dieser Philosophieprofessor war einfach wirksamer. Wir aus der Politikwissenschaft haben nur die Übriggebliebenen um uns geschleift.“ Ich hielt ihre schlanke Hand an meinen Mund.
„Klingt ja fast nach Saul Bellow“, grinste sie.
„Nee, dafür bin ich zu faul. Aber jetzt hab ich …“ Ich schob meine Hand tief in ihre Unterhose. „Die Geschichte ist fertig. Lies mal!“ drückte ich ihr die ausgedruckten Seiten in die Hand.
„Die mürrische Muse!? Ach, fick dich doch!“, fauchte sie und knallte die Tür hinter sich zu.
© Ishmael Kardryni 2025-05-23