von Daniela Reinelt
Meine Tochter ging noch in den Kindergarten, als wir merkten, dass sie nicht richtig sehen konnte. Wenn sie malte, stupste sie fast mit der Nase auf das Malbuch. Ich machte einen Termin beim Augenarzt. Dieser stellte fest, dass eine kleine Sehschwäche vorlag, die das eine Auge so bisschen wegkullern lies.
Auf Empfehlung dieses Arztes bekam sie eine Brille. Oh je, das war schon eine kleine Herausforderung fĂĽr alle Beteiligten. Erst einmal machte ich ihr schmackhaft, wie toll sie doch in dieser Brille aussah. Zur damaligen Zeit gab es ja noch keine so groĂźe Auswahl, was das Gestell anbelangte. Vor dem Spiegel machten wir Grimmassen, so dass ihr das Tragen dieses Gegenstandes etwas leichter fallen sollte.
Als sie sich aber die erste Beule am Gartentor des Kindergartens holte, war es Schluss mit lustig. Kindergärtnerinnen und Kinder bewunderten sie alle mit der neuen Brille. Nichts zündete so richtig. Dann viel mir ein, dass ihr Papa doch auch eine Brille trägt. Da sie ein Papakind war, zog das prächtig. Von diesem Zeitpunkt an trug sie stolz ihre neue Errungenschaft und nahm auch Beulen in Kauf.
Durch das regelmäßige Tragen, stabilisierte sich das eine Auge und sie hat auch bald wieder ohne Brille gut sehen können. Seit ihrer Schulzeit bis heute hat sie keine Brille mehr tragen müssen. Das ist echt super. Dafür trage ich jetzt eine Gleitsichtbrille. Sie gehört zu mir wie die Kleidung.
Wir erinnern uns gerne an diese Zeit des Tragens ihrer Brille zurück. Manches weiß sie noch als wenn es heute passiert wäre. Nicht alles im Leben merkt man sich. Das geht den Menschen wie den Leuten. Schön ist es jedenfalls, dass sich alles zum Guten gewendet hat. Nicht alle Hürden im Leben lassen sich relativ schnell in den Griff bekommen. Da hatten wir echt Glück.
Irgendwann fragte sie ihren Papa: „Sag mal Papa, warum trägst Du denn immer noch Deine Brille?“ Das war wohl eine berechtigte Frage. Als Kind dachte sie, dass, wenn sie die Brille nicht mehr tragen mĂĽsse, allen anderen Menschen ob Erwachsene oder Kindern es auch so gehen wĂĽrde. Wir haben es ihr ausfĂĽhrlich erklärt. Sie hörte ganz aufmerksam zu. So richtig hat sie es aber auch nicht geglaubt. Im Bekanntenkreis gab es ein ähnliches Beispiel – die Mutter trug ein Leben lang ihre Brille und der Sohn nur vorĂĽbergehend im Kindesalter.
Nicht immer ist der menschliche Körper zu verstehen. Es gibt da schon oft viele Wenn und Aber. Letztendlich, als sie dann größer wurde, machte es klick und ihr Verstand hat sie ĂĽberzeugt, dass manche Menschen ein Leben lang ihre Brille tragen mĂĽssen und andere sie nur zur Korrektur brauchen. Sie kann sich glĂĽcklich schätzen, dass sie zu den Personen gehört, die „nur“ eine Augenkorrektur brauchten. In meinem Gedächtnis ist nicht haften geblieben, wie lange sie diese Sehhilfe getragen hat. GlĂĽcklich waren wir alle, dass sie sie irgendwann losgeworden ist. Alles andere war nebensächlich.
Ein Kind meiner Freundin fragte mich einmal, ob es auch ein Nasenfahrrad bekommen kann. :-)
© Daniela Reinelt 2020-02-02