von TintaJoyce
„Ich bin ja so verschossen… in deine Sommersprossen… vom Kopf bis zu den Flossen…Tina…“
Es war Sommer, gefühlt, der erste in meinem Leben.Auf der Strohballenparty im Reiterverein war leider eine andere von meinem heimlichen Schwarm zum Blues aufgefordert worden.Die Chefin der Berliner Fotomodellagentur klang vielversprechend. Papa überließ mir die Entscheidung:„Entweder ich bezahl dir die Fotomodell-Ausbildung oder du darfst mit Kerstin nach Sylt fahren.Entweder-oder!“Ich entschied mich für Sylt.
„Carbonara… e una Coca-Cola“ lebenslänglich auf Leckereien verzichten, das war nichts für mich.
Kurz nachdem die ungewohnt laute Propellermaschine vom Flughafen Tempelhof abgehoben war, landete ich auch schon in Westerland. Meine braungebrannte Freundin holte mich in Westerland ab.Kerstin konnte gar nicht so schnell erzählen, wie ich sie zu allem Wesentlichen befragte. Wir groovten sofort wieder auf einer Welle, alberten und lachten über jeden Kiki, auch über die Strohballenparty in unserem Reiterverein. Sie war nur äußerlich das ganze Gegenteil von mir: Lange goldblonde Locken, Kristallblaue Katzenaugen. Ihr leichtes Lispeln irritierte die engelsgleiche Erscheinung. Die Jungs störte es nicht. Kerstin sprudelte nur so, als sie mir von der Beach-Volleyball-Clique berichtete, die sich täglich am selben Strandabschnitt traf. Was war abends angesagt?
„Chic-chic-Schickeria“ wir brannten nur so vor Vorfreude.
Als ich den Schlüssel zu meinem Zimmer in List ins Türschloss schob, hob ein ganzer Schwarm Schmetterlinge gleichzeitig in meinem Bauch ab. Zum ersten Mal allein verreisen, ein eigenes Zimmer mit Bad und niemand, der mir Vorschriften machte. Was bedeutete eigentlich Kurtaxe?Ich warf mich aufs Bett und atmete tief durch.Im Seesack waren meine Lieblingsteile verstaut, die ich erstmal auspackte: Sonnencreme, Bikini, Shorts, weiße T-Shirts und ein Strandtuch. Die Wasserflasche schnell mit eiskaltem Leistungswasser aufgefüllt, und losging’s mit dem Fahrrad durch die Dünen zum Strand.
Nordseeluft füllte meine Lungen, fast, ohne dass ich selbst einatmete.
„99 Luftballons“
So feiner weißer Sand, den ich mir kitzelnd durch die Finger rieseln ließ.Der sogenannte Ellenbogen hieß es, ist wohl der nördlichste Strand Deutschlands und wie nicht nur ich fand, auch der schönste.Der Horizont schien bis in die Unendlichkeit. Surfen war der letzte Schrei, Windsurfen auch. Mir genügte ein Sprung in die salzigen Wellen. Die schneeweißen Schaumkronen umspülten mich unbefangen, ein Willkommensgruß!Die leuchtenden Farben des Leuchtturms, das von der See untrennbare Geschrei der Möwen, die frischesten Fischbrötchen an einem Stand der „Gosh“ hieß, Strandkörbe, die man abends zusammenschob, um sich zu küssen.
„Ich bin ja so verschossen… Tina, ist das nicht prima?“
Wo konnte nur der Zimmerschlüssel sein? Die pure Lust am Reisen und Leben war für immer erwacht.
Foto: drahomir posteby mach unsplash
© TintaJoyce 2021-03-11