Die Nichtwähler-Partei

Walter Lepuschitz

von Walter Lepuschitz

Story

Seit Jahren beschäftigt mich ein Gedanke mit unterschiedlicher Intensität. Wenn es bei uns Wahlen gibt, gehen im Normalfall siebzig Prozent der Wahlberechtigten zur Urne (ich weiß, der Begriff ist nicht besonders glücklich gewählt, aber man nennt es nun einmal so). Das heißt, rund dreißig Prozent oder mehr der Wahlberechtigten sind in den Organen gar nicht vertreten. Abgezogen von den abgegebenen Stimmen werden in der Folge auch noch die ungültigen. Und die sich aus dem Rest ergebenden Mandate teilen sich die Parteien auf, für die Stimmen abgegeben wurden und die die Mindestprozenthürde erreicht oder überschritten haben.

Damit sind alle Nicht- oder ungültig-Wähler im Parlament nicht vertreten.

Deshalb beschäftigt mich der Gedanke an die GrĂĽndung der „Nichtwähler-Partei“. Diese Partei hätte kein Programm und mĂĽsste daher auch keine kostspieligen Wahlversprechen machen. Sie wĂĽrde nur auf Bundesebene kandidieren. Die Sitze, die sie erreicht, wĂĽrden nicht belegt werden und bei Sitzungen frei bleiben. Mehrheiten fĂĽr die anderen Parteien, die oft nicht im Sinne der Bevölkerung sind, wĂĽrden auf diese Art und Weise wesentlich schwerer zu erzielen sein. Die Nichtwähler-Partei wĂĽrde an Abstimmungen nicht bzw. nur dann teilnehmen, wenn es darum geht, groben Unfug zu verhindern (z.B. Erhöhung der Parteisubventionen).

Wenn beispielsweise die Nichtwähler-Partei auf Bundesebene fünfzehn Prozent (d.h. die Hälfte der üblichen Nichtwähler) erreichen würde, wären das im Parlament nach Adam Riese rund 27 von 183 Abgeordneten. Diese würden natürlich den etablierten Parteien fehlen. Und diese 27 würden keine Kosten verursachen (auf die Gehälter könnte verzichtet werden; weil dies aber vom Gesetz her angeblich nicht möglich ist, könnten sie auch gespendet werden) und keine parlamentarische Infrastruktur beanspruchen. Der Verwaltungsaufwand wäre minimal.

Bei mehr Prozent … aber Schlussrechnen haben wir schon in der Volksschule gelernt.

Ich bin sicher, dass man für die Listenerstellung genügend honorige Personen finden würde, die bisher politisch noch kein Amt belegt haben, keines anstreben und auch sonst noch nicht mit Präferenzen zu einer Partei in Erscheinung getreten sind. Sie müssten keinerlei Wahlkampf führen, keine Zeit einsetzen, keine Interviews geben und nur bereit sein, sich wählen zu lassen.

Einzig die Medien mĂĽssten darĂĽber berichten, damit die Information unters Wahlvolk kommt.

Für die bisherigen ungültig-Wähler könnte das eine interessante Alternative sein. Für die bisherigen Nichtwähler wäre das vielleicht eine Motivation, wieder zur Wahl zu gehen. Die Organe würden die Stimmenverhältnisse viel besser abbilden. Und all das würde den etablierten Parteien zu denken geben.

Man wird ja wohl noch träumen dürfen …

© Walter Lepuschitz 2020-05-23