von Thomas Paar
…ist jetzt wieder gekommen, ich kenne sie gut. Wie eine alte Weggefährtin findet sie immer wieder zu mir zurück. Ich weiß, dass der Zeitpunkt gekommen ist, wo es nur an mir liegt.
Prinzipiell ist es mit dem Prozess des Fahrradfahrens zu vergleichen. Egal wie lange man es nicht mehr macht. In dem Moment, in dem man sich auf den Sattel setzt, kommt die Erinnerung zurück und man weiß, was zu tun ist. Ein Automatismus, der so natürlich wirkt, wie das tägliche Aufstehen am Morgen. Obwohl es mir mit dem Fahrradfahren sicher einfacher ergehen würde, ist es das grundlegende Prinzip, um welches es mir geht.
Die letzten zwei Wochen verbrachten wir in Kroatien. Die ersten zwei bis drei Tage war ich etwas eingerostet. Doch mit anhaltender Dauer wurde es besser. Ich bin kilometerweit davon entfernt, fließend oder perfekt zu sprechen, aber man versteht mich. Wenn ich mich bemühe, dann kann ich mich verständigen. Alleine einkaufen, tanken, der Besuch in der Apotheke, all diese Szenarien sind Hindernisse, die ich mittlerweile alleine bewältigen kann.
Wenn ich es darauf ankommen lassen würde, könnte ich die Zeit auch stur mit Deutsch verbringen, ohne nur ein einziges Wort der anderen Sprache zu sprechen. Aber das will ich gar nicht. Ich höre gerne die Musik, möchte versuchen sie zu verstehen. Doch was wichtiger ist, ich möchte die einfachen Dinge des Alltages bewältigen können. Bitte/Danke sagen. Mich für das Essen bedanken, über das Wetter sinnieren. Beim Kaffee ein bisschen tratschen. Diese ein bis zweimal im Jahr möchte ich versuchen mich einzubringen, ein Teil des Ganzen zu sein und nicht das fünfte Rad am Wagen.
Es gibt genug Situationen wo ich etwas verwechsle oder falsch sage. Wenn so etwas dann Eintritt, bin ich aber gewillt mich auszubessern. Möchte versuchen zu lernen. Nicht, weil ich muss, sondern es möchte. Ich könnte mich auch im Haus verkriechen, die Nase in ein Buch stecken, doch dafür fahre ich nicht hin. Ob es mir gelingt kann ich nicht beurteilen, aber zumindest vermittle ich den Willen, lernen zu wollen. Alles andere wäre mir irgendwie unangenehm.
Doch nun ist sie wieder da, diese brenzlige Phase. Ich habe sie schon öfters erlebt. Gestern Abend sind wir wieder zu Hause angekommen. Heute merkte ich tagsüber, obwohl es nicht mehr vonnöten war, das der Automatismus, noch immer Kroatisch zu sprechen vorhanden war. Ich muss nicht mehr, aber nach zwei Wochen scheint es normal.
Die Phase hält jetzt die kommenden Tage an. Dann verläuft sie sich, wie feine Fußspuren am Sandstrand, die von Wellen langsam weggefegt werden, bis sie verschwinden. Ich hätte immer die Möglichkeit mich zu verbessern und zu Hause nur Kroatisch zu sprechen.
Doch dieses einfache Vorhaben scheint schwerer als angenommen. Vielleicht fällt es mir unten einfach leichter, weil es eine Notwendigkeit darstellt. Ich weiß, dass es an mir liegt, diese Phase so lange es geht auszudehnen. Ob ich es aber tatsächlich auch schaffe, steht wohl in den Sternen geschrieben.
© Thomas Paar 2022-08-14