DIE POLIZEI, DEIN FREUND UND HELFER

Lucien Junker

von Lucien Junker

Story

In den Fünfzigerjahren kaufte ich ein gebrauchtes Motorrad. Es war ein 250er BMW. Er kostete 1400.–Franken. Das weiss ich noch so genau, weil ich die Summe während der Rekrutenschule und anschliessender Militärdienste zusammengespart hatte. Ein Bier musste reichen, kaum Heimurlaube. Geplant war, nach Kanada auszuwandern. Zusammen mit Hans, jenem mit der überaus hübschen Schwester Fränzi. Oh, wie war ich in sie verliebt. Dumm nur, dass meine Avancen ins Leere stiessen. Zweimal nahm ich all meinen Mut zusammen, um sie ins Kino einzuladen. Zweimal lag ich in der Folge mit heftigem Liebeskummer darnieder. Bei Hans wurde ein Lungenleiden festgestellt. Mit dem Auswandern wurde nichts. Es galt, das sich angehäufte Vermögen sinnvoll anzulegen, also kaufte ich das feilgebotene Motorrad. Ich kannte mich weder mit Autos noch Motorrädern aus, geschweige denn konnte ich sie fahren.

Hans, aus gutem Haus mit Auto, damals wenigen Familien vorbehalten, war beim Handel dabei. Er konnte nicht nur Autofahren, er besass bereits auch ein Motorrad. Kaum war die Transaktion abgewickelt, schraubten wir seine Motorrad-Polizeinummer ab, um sie mit einem Draht an meinem Motorrad behelfsmässig zu befestigen. Komm, wir machen gleich die Fahrprüfung. Du fährst, ich sitze hinten auf. Tippe ich dir auf eine der Schultern, biegst du bei der nächsten Möglichkeit entsprechend ab. So tippte er mich via Monbijou mitten in die Stadt. Beim Fussgängerstreifen vor dem Warenhaus Loeb regelte tagein, tagaus, ein Polizist den Verkehr. Hans liess sich nicht davon abhalten, mich dort durchzulotsen. Unbehelligt umfuhren wir die Klippe. An die Fahrt durch die Hauptgassen stadtabwärts kann ich mich nicht mehr erinnern. An den Bärengraben schon. Der Bärengraben ist für Bern was der Stephansdom für Wien. Ein Touristenmagnet. Weil, wie immer gut besucht, regelte ein Polizist den Verkehr. Ausgerechnet vor mir hielt er zum Haltezeichen die Hand hoch. Mit dem Handling der Bremse und Kupplung noch wenig vertraut, würgte ich den Motor ab. Der Poizist, not amused: “Fort da, weg damit, hinauf aufs Trottoir, der Verkehr muss weiter laufen”. Der Absatz war hoch, das Manöver mühsam, nicht sofort zu bewerkstelligen. Der Polizist legte mit Hand an. Eben, dein Freund und Helfer.

Nach meinen Papieren fragte er nicht. Gut so. Einer hohen Busse, mit Eintrag ins Strafregister, wäre ich gewiss gewesen. Fahren ohne Führerausweis, ja, sogar ohne Lehrnfahrausweis, zudem Fahren ohne gültige Fahrzeugnummer, also ohne Versicherung. Mit einer solchen Belastung hätte ich nie Polizist werden können. Weil mir aber auch dieser Beruf nicht gefiel, quittierte ich den Dienst bereits nach zwei Jahren wieder, um in der Folge im Schadendienst einer grossen Versicherung an der Schnittstelle zwischen Juristik und Medizin bis zur Pensionierung meine berufliche Erfüllung zu finden. Als gelernter Feinmechaniker hätte ich ohne Umweg über die Polizei, diese Stelle nicht bekommen.

© Lucien Junker 2021-05-29

Hashtags