Er war da – der Tag der Pensionierung! Natürlich mit Wehmut: nach langer Zeit, vielen Erfolgen und einem wunderbaren „Schlussorchester“: Fahrt mit dem Kollegium nach Berlin. Da geht man nicht in Pension, als würde man die Seite eines Buches umdrehen. Jedenfalls ich konnte das nicht. So vieles klang und klingt nach: Erinnerungen – jahrelang – Telefonanrufe, Mailnachrichten, Treffen. Es ist nie ganz vorbei. Und das ist auch gut so.
Nach der Feier packt man gewöhnlich seine „Gaben aus“: Bücher, Blumen, Gutscheine und die vielen kleinen Dinge – bis hin zu netten Andenken von Schülern und Schülerinnen. Dann Danksagungen.
Und dann?
Am Ende meiner Schulzeit, nach bestandenem Abitur, schenkten mir meine Eltern als kleine Anerkennung – das Geld war knapp – eine Skitour durch den Harz – von Jugendherberge zu Jugendherberge. Das wollte ich wiederholen. Diesmal in Sölden, eine Woche, diesmal mit Abfahrtsski. Sölden ist natürlich für jeden Skifahrer ein Erlebnis, solange das Wetter schön und der Himmel blau ist. Die letzten 2 Tage waren jedoch vernebelt, Ich konnte nicht auf den Hang gehen. Also an die Bar – lesen – saunen – ausspannen. Was bot sich da besser an, als ein Jacuzzibesuch. Wasser, Wärme, Quirlen. Ausgiebig im Jacuzzi chillen. Relaxen! Doch welche Rache!
2 Tage später die Heimreise. Dass ich mich schon an der deutschen Grenze nicht wohlfühlte, führte ich auf das abendliche letzte Bier zurück. Mein Zustand verschlechterte sich von Kilometer zu Kilometer – mit Mühe driftete ich nach Hause, um sofort ins Bett zu sinken.
Der nächste Tag zeigte hohes intensives Fieber. Grippe? Was ich sonst nach einer knappen Woche abwerfe, hielt sich beharrlich über drei und mehr Wochen mit vielen Schüben.
Natürlich, das blieb nicht aus, steckte ich meine Frau an. Sie legte sie sich mit einer Grippe nieder – nach 3 Wochen hatte sie die Grippe noch nicht überwunden. Auch nicht nach 3 Monaten, nicht nach 3 Jahren. Sie wurde immer schwächer. Andere zunächst unbestimmbare Symptome kamen hinzu. Ihr Immunsystem brach weitestgehend zusammen.
Es hat viele Jahre gebraucht, bis Ärzte ihre Krankheit als CFS (Chronisches Fatigue Syndrom) diagnostizierten – eine Krankheit, die durch starke Grippe ausgelöst werden kann und heute oft die Folgeerkrankung bei Covid-19 Patienten ist. Die Mehrzahl der Ärzte war mit dem Krankheitsbild überfordert, nannten Therapien von „früher aufstehen“ bis nebulösen Vitamineinspritzungen. CFS wird bundesweit von Krankenkassen nicht als Krankheit anerkannt. Erst im Zusammenhang mit der Pandemie bewegt sich etwas. Nun ist sie seit 11 Jahren fast an das Bett gefesselt -14 bis 16 Stunden am Tag oder mehr – kann sich mäßig alleine behelfen, musste alle sozialen Kontakte aufgeben – auch ihren Beruf – und wurde verrentet.
Ein Jahr später stellte sich heraus, dass meine Tochter die gleiche Krankheit mit einem ähnlichen Erscheinungsbild hat.
Ihre Partnerschaft ging in die Brüche – auch sie wurde arbeitslos und frühverrentet.
© Heinz-Dieter Brandt 2021-01-09