von SallyRDollinger
Voller Hoffnung steige ich aus meinem Auto aus nachdem ich zum Glück ganz in der Nähe eine letzte Parklücke entdeckt habe. Ich bin guter Hoffnung, habe aber auch ein klein wenig Angst.
Ich gehe das kleine Stückchen die Straße weiter als es zu regnen beginnt. Von der Arbeit konnte ich leider nicht früher weg, aber die Tierklinik schließt erst in 20 Min., es geht sich also noch alles aus. Ich bin gleich da.
Niemand ist mehr im Warteraum als ich durch die Türe herein komme. Die Dame an der Rezeption begrüßt mich schon von weitem. „Nehmen Sie noch kurz Platz, wir können gleich rein gehen“ sagt sie zu mir und lächelt mich an. Ich setze mich also auf den Stuhl. Auf den gleichen Stuhl, auf dem ich gestern und auch vorgestern schon gesessen bin. Witzig, dass man sich instinktiv immer an das gewohnte Schema hält. Ich atme tief durch und da öffnet sich auch schon die Türe zur Ordination 2.
„Sie können schon rein kommen“ sagt die Tierärztin mit ruhiger Stimme. Ich befolge ihre Anweisung und betrete den Raum. Die 2. Dame kommt aus dem Nebenzimmer mit dem Katzenkorb in der Hand. Sie stellt ihn am Tisch ab. Die Ärztin macht einen Schritt zum Korb und öffnet das Türchen. „Sein Zustand hat sich leider nicht gebessert, wir haben jetzt alles versucht, was uns hier möglich ist.“ sagt sie zu mir während sie mit ihrer Hand zärtlich über sein Köpfchen streichelt. „Wir könnten natürlich schon noch eine Biopsie machen und das Gewebe untersuchen lassen um wirklich genau zu wissen, was er hat. Jedoch in Anbetracht seines hohen Alters, wäre es vielleicht sinnvoll sein Leid zu beenden“.
In dem Moment, wo sie das ausgesprochen hat, überkommt es mich. Mir wird ganz heiß und ich habe das Gefühl, dass mir die Luft weg bleibt. Dass mir regelrecht die Kehle zugeschnürt wird. Meine schlimmsten Befürchtungen scheinen nun zur Realität zu werden. Beide Damen schauen mich besorgt an und ich sehe ihr Mitleid in ihren warmen Augen. Ich bin unfähig zu sprechen und Tränen kullern über meine Wangen. Ich beginne laut zu schluchzen und mit meinem Nicken teile ich meine Entscheidung mit.
„Ich werde alles vorbereiten und ich lasse Sie nun alleine um sich in Ruhe zu verabschieden,“ spricht die Ärztin zu mir und beide verlassen den Raum. Ich will es einfach nicht wahr haben, vor diesem Augenblick habe ich mich immer gefürchtet. Mein treuer Freund, der mich seit 16 Jahren jeden Tag begleitet hat, mit dem ich all meine Sorgen und Freuden teilen konnte und er mir auf seine Weise immer das Gefühl gab nicht alleine zu sein. Und gleich kommt der Moment, wo ich ihn gehen lassen muss.
„Das ist die Spritze, damit er einschläft“, sagt die Ärtzin und spritzt die Flüssigkeit in seinen Venenzugang, „und das ist die Spritze, damit er nicht mehr aufwacht.“
Ich halte ihn auf meinem Schoß und streichle ihn. Ich schau im nochmal in die Augen, bevor er aufhört zu atmen „Mein Freund, ab hier musst du alleine weitergehen“ schluchze ich und so sitze ich fast eine Stunde da! „Geh über die Regenbogenbrücke, ich danke Dir und liebe Dich“!
© SallyRDollinger 2020-05-14