von Frajo Goebel
Sie war mehr als überfällig, die gemeinsame Reise von Olaf,meinem Sohn und mir.
Er war 12 Jahre, als ich mich von seiner Mutter trennte und aus dem gemeinsamen Haushalt auszog. Die bisher einzige gemeinsame Reise war eine Motorradtour Anfang der 80er in den Bayerischen Wald und an den Bodensee. Später folgten viel gemeinsame Familienurlaube.
Nach unserer “Trennung” ist viel passiert. Mit Gudrun, meiner zweiten Frau und Sandy, ihrer Tochter, zog ich zusammen, mit späterer Hochzeit. Berufliche und politische Karrieren entwickelten sich rasend. Lebenskrisen blieben nicht aus, wurden gemeistert. Sandy wurde erwachsen, erlernte den Beruf einer Gymnastiklehrerin, später Senioren-Beraterin und arbeitete viele Jahre auf Amrum, dann Heirat, Mina wurde geboren, plötzlich war sie eine Alleinerziehende. Olaf machte sein Abi, wurde Beamter, später studierte er Archäologie, suchte sich selbst und orientiere sich letztlich völlig um, wurde erfolgreicher Tantra-Lehrer. Beziehungen kamen und gingen.
Wir sahen uns in mehr oder weniger häufig, manchmal auch in größeren Abständen. Über uns zu reden, hatten wir nie ausreichend Zeit. Nun die Reise, auf die wir beide sehr gespannt waren. Das galt für unsere persönliche Beziehung Themen, aber auch für die touristischen und sonstigen Begegnungen. Olaf schlug vor, den Osten zu bereisen. Ich war dort häufiger, vor und nach der Wende und habe in Chemnitz, damals noch Karl Marx Stadt, geholfen die SPD und die AWO aufzubauen. Ich hatte ein persönliches Bild der Menschen, die lange nur durch die West-Brille beurteilt wurden.
Wir planten unsere Reise über die Wartburg, Erfurt, Weimar, Dresden nach Bad Schandau in der Sächsischen Schweiz.
Es wurden einmalige Erlebnisse, in die historische Wartburg, in tolle Städte, großartigen Sehenswürdigkeiten und Natur Erlebnisse, wie die Altstadt von Erfurt, das historische Dresden mit der Frauenkirche den Museen und dem Zwinger, das beeindruckende Elbsandsteingebirge. Interessant waren in Erfurt und Weimar die sichtbar angebrachte Forderungen nach „Frieden jetzt“. Uns gefiel diese allgemeine Initiative, die aktuell im Westen Deutschlands so nicht denkbar wäre.
Viel Zeit nahmen persönliche Gespräche ein, z.B. über die Schnittstellen und Konflikte unseres Lebens, wir konnten sie für den anderen besser verständlich und so nachvollziehbarer machen. Einen großen Raum nahmen die aktuelle Politik, sowie geschichtliche Fragen im Zusammenhang mit unserem Besuch im KZ-Buchenwald und des Deutschen Nationaltheater inWeimar, in demdie Verfassung der ersten Deutschen Republik beschlossen wurde. Olaf hat zwar einen etwas anderen Blick auf unser Gemeinwesen, aber in der Abwägung und in der grundlegenden Betrachtung von Politik und Gesellschaft ticken wir ähnlich.
Es war eine wunderbare und unvergessliche Reise. Wir haben viel voneinander gelernt und unsere Beziehung gefestigt, mehr geht nicht.
© Frajo Goebel 2022-09-27