von Lea-Lina Meyer
Sie hatte nicht die Absicht, sich für eine Seite zu entscheiden, bevor sie nicht wusste, wer gewinnt…
Der ewige Kampf zwischen Gut und Böse. Nicht zu wissen, ob man lieber noch kränker oder doch gesund werden möchte. Schwarz oder Weiß, nichts dazwischen. Keine Grautöne…Die meiste Zeit war ihre schwarze Seite vorne, ganz selten blickte die Weiße durch. Die schwarze Seite ist mit ganz viel Hass verbunden. Das kann man sich so vorstellen, wie das Teufelchen auf der Schulter. Es ist der Kritiker, der wegen jeder Kleinigkeit versucht, mir meine restlichen Funken Selbstbewusstsein zu rauben. Der mich von innen auffrisst. Würde ich komplett nach dem Handeln, was der Kritiker sagt, dann wäre ich schon lange nicht mehr hier. Und weißt du, was dabei am wenigsten Sinn macht? Der Kritiker löscht sich damit selbst aus und dass ohne Probleme. Totaler Schwachsinn. Auf der anderen Seite sitzt dann der Engel. Er versucht all das wieder aufzubauen, was der Kritiker kaputt gemacht hat. Aber das sind leider höchstens 1-2 Tage, in denen ich mich super fühle und glaube, dass ich alles schaffen kann und dass es endlich besser wird. Und nach den 2 Tagen, bricht diese ganze Welt voll Hoffnung zusammen und entwickelt sich in eine riesengroße Schlucht der Hoffnungslosigkeit. Als hätte man alle Emotionen und Kraft aus meinem Körper gesaugt. Übrig bleibt ein leerer Körper, eine Hülle. Ohne jegliche Funktion. Diese leere Hülle besteht weiter, löst sich nie auf. Aus dieser Schlucht zu entkommen scheint unmöglich. Ich weiß, dass ich mich normalerweise für diese Seite entscheiden würde, weil es mir Sicherheit gibt, zu wissen was passiert, es ist das Bekannte. Der Engel ist der gesunde Erwachsene. Er weiß, dass er alles dafür tun muss, damit es besser wird. Er ist pflichtbewusst, geht zur Therapie und schöpft immer wieder Hoffnung. Das Problem ist, dass diese Seite nie lange anhält und dadurch bleibt diese Seite unbekannt. Dieser Teil ist meine Identität, von der ich nicht weiß, was sie überhaupt genau ist. Ich weiß nicht, wer ich bin, was mich ausmacht und was ich besonderes kann. Ich weiß es nicht, weil der Kritiker mir nie erlaubt, positiv über mich zu denken…Der Kritiker ist die vermeintlich starke Seite, bei all dem Krieg in meinem Kopf. Dabei ist das nur ein aufgebautes Gestell aus Unsicherheit, Angst und Ungewissheit mit Sicherhaltsverhalten.. Was genau daran ist stark? Nur weil der Kritiker so viel Platz einnimmt, heißt das nicht, dass er stärker ist. Das ist wie mit dem Satz: „Bellende Hunde beißen nicht.“ Das Bellen ist in diesem Fall einfach nur ein Zeichen von Angst, soll aber einschüchternd wirken. Auch der Kritiker bellt ganz laut, ist deswegen jetzt aber nicht stark. Aus Sicht des gesunden Erwachsenen, ist es stärker, sich seinen Ängsten zu stellen und daran zu wachsen. Denn mit der Entscheidung gegen den Kritiker (die ich unter keinen Umständen leicht darstellen möchte), entscheide ich mich für die Gesundung und für den Weg, der mir hilft, meine Identität zu finden. Dazu meinen Lebenssinn und eine Aufgabe. All das ist doch viel mehr wert, als diese schreckliche Fassade, die jederzeit einbrechen könnte.
Ich entscheide mich für die Gesundung, denn das ist die stärkste Kraft. Die wahre Stärke, denn der gesunde Erwachsene, hat trotz des Kritikers jahrelang überlegt. Wie entscheidest du dich?
© Lea-Lina Meyer 2024-06-27