von Petra Dinhof
Anfang 20 studierte ich Rechtswissenschaften und Englisch. Alles lief bestens, Studium und Job. Gegen Ende des Jus – Studiums war auf einmal alles anders. Nichts ging mehr, ich wollte nur mehr auf die Bühne.
Meine Eltern bekamen fast einen Herzinfarkt, als sie hörten, dass ich mein Studium so kurz vor dem Ende abbrechen wollte. Mein Arbeitgeber, ein renommierter Rechtsanwalt in der Wiener Innenstadt, war fassungslos. Ich habe mich sehr wertgeschätzt gefühlt, als er intensiv versucht hat, mich zum Bleiben und Fertigstudieren zu überreden, denn er war sicher, dass ich eine sehr gute Rechtsanwältin werden würde. Ein bisschen hat mich das verunsichert, aber mein Entschluss stand fest: Ich will zum Theater!
So machte ich mit 26 Jahren die Aufnahmeprüfung an einer Schauspielschule. Ich war schon relativ alt, um als Anfängerin in einer ohnehin schwierigen Branche Fuß zu fassen und hatte keine Ahnung, wie dieser sehr unsichere Weg verlaufen würde. Ich stürzte mich einfach rein. Die Schauspielschule war teuer, aber ich arbeitete als Lehrerin und immer noch Teilzeit beim Rechtsanwalt und so ging das irgendwie.
Nach wenigen Monaten schon durfte ich zu einem Vorsprechen ans Burgtheater. Viele junge Schauspielerinnen und Schauspieler waren dort, vielleicht 100. Zuerst tanzten wir in großen Gruppen, die nach jedem Durchgang immer kleiner wurden. Dann gab es für die besten 25 ein Vorsprechen. Zuletzt wurden 9 ausgewählt und ich war dabei! Euphorische Glücksgefühle machten sich in mir breit. Ich war Ensemblemitglied des Wiener Burgtheaters! Ich durfte als Elevin im Pirandello-Stück „Die Riesen vom Berge“, inszeniert vom großen Giorgio Strehler, mitspielen! Ich spielte eine Puppe in einem seltsam – schönen und sehr dicken Filzkostüm, das nur skurrile, eher steife Bewegungen zuließ und trug eine ebenso dicke Maske. Ich sprach 4 Sätze und tanzte mit 8 anderen wunderbaren jungen Schauspielerinnen und Schauspielern. Die Atmosphäre des Burgtheaters und dieses mystischen Stücks waren faszinierend, und ich tauchte glückselig in diese für mich neue Welt ein.
Ich bin kurzsichtig und vertrage Kontaktlinsen schlecht. Unter der dicken, harten Maske hatte keine Brille Platz, also spielte und tanzte ich halbblind. An sich war das wunderbar, denn so musste ich mich sehr auf mein Gefühl und meine Intuition verlassen, was eine bereichernde Erfahrung war. Diese Bühne aber war so gestaltet, dass sie Stockwerke hatte. Wir tanzten oben am Rande des Abgrundes und die Beleuchtung war ebenso mystisch wie das Stück. Bei der Premiere war ich so aufgeregt, dass ich beinahe abgestürzt wäre, was zu einer absurden Pirouette bei meinem Tanz führte. Zum Glück hat das kaum jemand bemerkt und ich blieb unverletzt.
Ich spielte am Burgtheater in einigen Stücken kleine Rollen und habe dabei viel gelernt. Dann zog es mich in die freie Szene, um endlich Hauptrollen zu spielen und um neue Erfahrungen zu machen.
Aber das ist eine ganz andere Geschichte.
© Petra Dinhof 2020-01-26