Die Ring-Story

Hannes Zeisler

von Hannes Zeisler

Story

Verschiedene Beschwerden an meinen Gelenken machten eine Röntgenuntersuchung nötig. Ich begab mich in das zuständige Institut in Zwettl. Bevor ich mich auf den Tisch legte, musste ich den Ehering vom Finger geben. Nachdem die Bilder „geschossen“ waren, stieg ich hinunter. Plötzlich vermisste ich meinen Ehering. Ich sagte dies der Schwester und beide begannen wir zu suchen. Er lag weder auf dem Röntgentisch, noch fanden wir ihn auf den im Raum vorhandenen Kästchen. So blieb uns nichts anderes übrig, als auch unter dem Tisch zu suchen. Wegen meiner permanenten Kreuzschmerzen ersuchte ich die freundliche Schwester, mir dabei zu helfen.

So knieten wir uns nieder und versuchten unser Glück unter dem Tisch. Ein Bild für Götter: die weiß gekleidete Schwester und ein verzweifelter Patient mit gerötetem Gesicht! Während wir vergebens nach dem verloren geglaubten Gegenstand Ausschau hielten, bemerkte ich plötzlich, dass ich den Ehering irrtümlich an den Ringfinger der LINKEN Hand gesteckt hatte! Das sind diese Automatismen, die zu Irrtümern führen können! Ich entschuldigte mich höflich bei meiner Helferin. Sie nahm es mit Humor und meinte: „Etwas mehr Konzentration könnte nicht schaden!“

Schauplatzwechsel! Urlaub in Großarl, wie immer auch mit unserer Tochter Christina, die , wie sie behauptete, sich am besten mit uns erholen könnte. Wir waren auch froh, wenn sie mit war, denn sie brachte uns immer das Frühstück an den Tisch und kümmerte sich auch bei unseren gemeinsamen Wanderungen liebevoll um uns.

Als wir am letzten Urlaubstag heimfuhren, wollten wir uns unterwegs noch ein bisschen stärken und kehrten, auf Wunsch unserer Tochter, in Liezen beim Mac Donald ein.

Als ich mich gestärkt hatte, suchte ich die Toilette auf. Einem alten Brauch zufolge legte ich beim Händewaschen den Siegelring auf der linken Hand auf die Waschmuschel. Ich hatte ihn einmal von meiner Gattin geschenkt bekommen und er bedeutete mir sehr viel. Als ich meine Hände abtrocknen wollte, fand ich weder ein Handtuch, noch konnte ich einen Papierspender entdecken. Neben der Tür, die nach innen aufging, hing ein Metallkasten und ich vermutete, dass dies eventuell einer sein könnte. Während ich mich nach vor beugte, um zu sehen, wie das Gerät zu bedienen wäre, wurde plötzlich die Tür aufgestoßen und krachte mit voller Wucht gegen meine Stirn! Eine Angestellte war mit Toilettenpapier herein gekommen, um es nachzufüllen. Sie konnte natürlich nicht sehen, dass ich unmittelbar dahinter stand!

Ich hatte ein ziemliches Cut über dem linken Auge und blutete. Etwas benommen begab ich mich zurück in das Lokal, wo mich meine Frau verarztete.

Wir waren schon fast zu Hause, als mir auffiel, dass ich den Ring vor lauter Aufregung beim Mac Donald vergessen hatte. Ich habe sofort nachgefragt, aber er war verschwunden. Mich schmerzte weniger der materielle Verlust als die Tatsache, dass es ein Geschenk meiner Gattin war!

© Hannes Zeisler 2020-03-15