Die Robbe

Maxi Holzmann

von Maxi Holzmann

Story

Meine Stofftier-Sammlung umfasst rund 300 Tiere. Meine Mama meint dazu: „300 Staubfänger zu viel, ich bring die noch alle zur Caritas!“ Mittlerweile wohnen die meisten im Keller, weil mein Zimmer mit andren Sachen übergeht. Fast 500 LTB’s (Lustige Taschenbücher) stehen im Regal, darunter einige ganz alte Exemplare. Auch die kann Mama nicht mehr sehen.

Bei den Stofftieren hat mir immer schon eine Robbe gefehlt. Da hatte Papa die wunderbare Idee mit dem Zoo: „Wir fahren nach Schönbrunn. Dort gibt es sie im Original und im Shop. Aber Mama darf das natürlich nicht erfahren.“ Ich war begeistert, denn im ältesten Tiergarten der Welt war ich noch nie.

Zuerst machten wir noch einen Besuch bei Oma, dann ging es weiter nach Schönbrunn. Wir nahmen den hinteren Eingang des Tiergartens, in der Nähe der Gloriette. Papa zeigte mir seine frühere Laufstrecke, die durch den wunderbaren Schlosspark führte. Er kramte in seinen Erinnerungen, aber ich drängte zu den Tieren.

Als erstes sahen wir nur Haustiere, wie auf einem Bauernhof bei uns in Salzburg. Auch nett, aber null spannend. „Wann kommen denn die Robben!“ nervte ich. Bereits ein paar Schritte weiter sah ich endlich das Schild mit der ersehnten Aufschrift. Noch dazu war in 10 Minuten Fütterung!

Bei der Robbenanlage warteten schon viele Besucher. Ich wollte natürlich ganz nach vorne, aber Papa meinte: „Dort kann es nass werden! Aber wie du willst.“ Natürlich wollte ich, also drängten wir uns vor bis in die erste Reihe. Von da aus sahen wir direkt auf den Felsen, auf den die Robben gerne kletterten um dann ins Wasser zu springen. Die Unruhe im Becken wurde immer größer und die Tiere wussten, dass es gleich Fisch gab. Als der Pfleger mit einem Kübel frischer Fische erschien, kletterten zuerst die kleinen Robben auf den Felsen. Die ersten Fische flogen ins Wasser und die wilde Jagd nach dem Futter ging los. Nach einer Weile kam der mächtige Bulle mit seinen 320 kg daher. Sogar er schaffte es bis auf die oberste Stelle am Felsen. Sein Pfleger winkte ihm mit einem größeren Fisch zu und schleuderte dann den Leckerbissen in unsere Richtung. Als der Bulle zum Sprung ansetzte, hielt ich die Luft an. Ich war völlig gebannt und sah, wie dieses riesige Tier vor mir ins Becken krachte. Daraufhin schwappte das Wasser bis in die ersten beiden Reihen. Papa und ich waren nass bis auf die Unterhosen, aber es war ein Riesenspaß.

Im Shop gab es leider nur eine einzige Stoffrobbe in XXXL-Größe. Als Papa den Preis hörte, schnaufte er tief durch. Doch die sympathische Verkäuferin streichelte über das Fell und lächelte mit großen Augen, so wie auch ich. Was letztlich ausschlaggebend war, weiß ich nicht mehr, aber Papa zückte die Karte und die Robbe gehörte mir.

Am Retourweg grübelte ich noch über ein Problem, das uns nun bevorstand. Wie verkaufen wir Mama den nächsten Staubfänger. Doch da hatte Papa wieder eine geniale Idee: „Wir sagen ganz einfach, Oma hat dir die Robbe geschenkt. Denn dagegen kommt selbst Mama nicht an.“

© Maxi Holzmann 2020-05-29

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