von Friederike
Ich kenne Holger schon seit seiner Geburt und empfinde ihn beinahe wie einen Sohn. Der junge Mann ist gross, sportlich, blond und blauäugig – ausserdem noch überaus intelligent. Höflich, wohlerzogen emphatisch… aber leider entscheidungsunfähig. Einer jener bedauernswerten Menschen die immer, ja IMMER wenn sie etwas tolles erreicht oder erhalten haben den nagenden Zweifel verspüren, ob es da nicht noch etwas besseres gäbe.
Dieses Verhaltensmuster erstreckt sich auch auf den zwischenmenschlichen Bereich einer eventuellen Partnerschaft. Das ideale weibliche Pendant gäbe es zwar schon – aber soll man sich so früh binden? Die Welt ist doch voller interessanter Alternativmöglichkeiten….
Also: Beziehung beenden!
Nach wenigen Wochen die Erkenntnis: man vermisst das Mädchen schmerzlich.
Lösung? Lockere Freundschaft – keine Bindung. Lili, besagte Dame war einverstanden – und das ist zur Zeit der status quo. Nun geschah folgendes:
Bei einem spätabendlichen Spaziergang durch die engen Innenstadtgassen Wiens hörten die Beiden leise Klaviermusik. Die Melodie war schmeichelnd und so gingen sie ihr nach – und standen vor der Tür zu einer winzigen Bar. Ein echter Barpianist, wie in alten schwarz/weiß-Filmen!!! Die Pforte war eng und das Lokal wirkte irgendwie exklusiv – sie getrauten sich nicht, hineinzugehen. Die Melodie war gut hörbar, und so tanzten sie auf dem Gehsteig dazu – ein magischer Moment. Beiden war diese Musik völlig unbekannt, hatte sie aber verzaubert.
Nachdem unser junger Freund wieder alleine war kam ihm der Gedanke, diese Melodie für Lili spielen zu wollen – als Geschenk.
Er überwand seine Scheu und lief zu der Bar zurück um das Stück zu identifizieren und die entsprechenden Noten zu erbitten. Nachdem er dem Pianisten eine Passage aus dem Gehörten vorgesungen hatte konnte dieser es sofort erkennen – handelte es sich doch um seine eigene Komposition!. Ihn freute dies besonders und so erlaubte er Holger die die Noten zu fotografieren. Als der Klavierspieler den genauen Grund dafür hörte, schenkte er ihm die Originalnoten samt Signatur.
Seitdem sind einige Tage vergangen und Lili hat mehrmals ihr Bedauern darüber geäußert, daß man nicht wisse um welches Musikstück es sich gehandelt hatte. Somit ist ein durchschlagender Erfolg der Geschenksidee garantiert. Holger übt schon fleissig, zu Weihnachten wird es dann so weit sein. (Zu gerne würde ich Lilis Reaktion sehen!!!)
Diese Episode hat für mich mehrere Aspekte: zum einen finde ich es wundervoll daß ein überaus „hipper“ etwa 20-Jähriger eine so romantische Idee haben kann. Für mich ist es auch ein Beweis, daß – trotz all seiner Zweifel – Lili die EINE ist. All der Aufwand, das tut man sich nicht einfach nur so an.
Ich wünsche inständig daß diese Erkenntnis auch Holgers Zweifel beseitigen kann – denn seine Lili ist die Art von Mädchen die bei sehr vielen jungen Herren Interesse erweckt. Das birgt ein gewisses Risiko – und niemand wartet ewig…
© Friederike 2019-11-14