Die Saisonarbeiterinnen – Chaos im Paradies-

Die Touristische Saison hatte gerade richtig begonnen, als Evelyn die Insel bereits wieder verließ. Worauf hatte sie sich hier bloß eingelassen? Was zur Hölle waren das nur für surreale Wochen. Wie war sie nur hierher geraten? Das war, wie immer, die Frage. Mit Koffer und Reisetasche im Schlepptau machte Evelyn sich auf den Weg zur Busstation, um die Insel möglichst schnell wieder zu verlassen. Mit dieser Insel und diesem Kapitel in ihrem Leben hatte sie abgeschlossen. Dieser Ort würde für sie nun immer den Duft der letzten Wochen tragen. Wieder ein Ort, den sie nicht wiedersehen würde, gebrandtmarkt durch die Geschehenisse des Frühsommers. Eigentlich hatte sie vor, den ganzen Sommer dort zu verbringen. Ja, vielleicht sogar dort neu anzufangen. Welch rührender Gedanke, sagte sie in Gedanken zu sich selbst. Aber alles der Reihe nach..

Alles auf dieser Insel scheint ein Trugschluss zu sein. Eine Bubble, gefangen in sich selbst. Eine abgeschlossene Welt, die sich selbst genug ist. Die ersten Touristen sind schon einmarschiert, wie Soldaten in ein fremdes Land. Ein luxuriöses Hotel reiht sich an ein anderes. Überall dasselbe Bild. Vermeintlicher Frieden im Paradies. Ungepflegte Pools, die von unerfahrenen Poolboys gereinigt werden.

Große Wäschetrommeln, die sich noch um Mitternacht in der kleinen Wäscherei fleißig drehen und dafür sorgen, dass die umliegenden Hotels mit frischer Bettwäsche und Handtüchern versorgt sind. Die Liveband spielt Englishman von Sting, begleitet von einer Schläfrigkeit, die das Atmen im Juli erschwert. Jedes dagegen ankämpfen ist zwecklos. Kilometerweite Oleanderbüsche, weiß und pink, die die Straßen voneinander trennen. Der Geruch von Gas. Ein Glas Merlot am Abend. Bei all den äußeren Verfehlungen menschlichen Handelns ist dieser Teil des Tages für Evelyn der friedvollste. Im Minutentakt Flieger am wolkenleeren Himmel. Zur selben Zeit, mit Hinblick auf dasselbe Ziel.

Evelyn hatte geglaubt, dass die Arbeit in der Saison ihr wenigstens das Gefühl geben würde, wieder Boden unter den Füßen zu haben, dass sie nach all dem Stillstand endlich wieder etwas Sinnvolles tun würde. Aber vom ersten Tag an war alles anders gewesen, als sie es sich ausgemalt hatte.

Sie war in einem stickigen, heruntergekommenen Personalhaus untergebracht, zusammen mit Frauen aus fünf Nationen, die alle ihre eigenen Gründe hatten, hier zu sein – und ihre eigenen Geheimnisse. Viele waren so erschöpft, dass sie kaum noch miteinander sprachen. Andere redeten nur noch, um sich über die schlechten Arbeitsbedingungen und die drückende Hitze zu beschweren.