Die Schender Mary

Josef Peneder

von Josef Peneder

Story

Den Titel verdanke ich einem meiner Schüler. Er war mit seinem Moped, einer auffrisierten „Maurer-Sachs“ ohne Taferl, auf einem Güterweg nahe dem elterlichen Hof dahingeknattert, hinter sich eine bläuliche Rauchfahne. Im Aufsatz schrieb er: Da kam auch schon die Schender Mary – die Gendarmerie!

Die war damals am Land zuständig. „Landgendarm“ war eigentlich schon zu viel des Guten, ein Pleonasmus, so wie die tote Leiche oder der langsame Beamte.

Noch früher gab es eine Zeit, da bezahlte man die Kfz-Steuer, indem man Monat für Monat in der Trafik eine Stempelmarke kaufte und diese auf die sogenannte Kfz-Steuerkarte klebte. Bei Fahrzeugkontrollen wurde nicht nur die Steuerkarte geprüft, sondern auch, sofern man stolzer Besitzer eines Autoradios war, das Vorhandensein einer Rundfunkbewilligung.

In dieser „guten alten Zeit“ trug es sich zu, dass mein Auto in Gallneukirchen nächtens aufgebrochen und neben etwas Bargeld auch mein Führerscheintascherl gestohlen wurde, mitsamt Zulassungsschein, Steuerkarte, Rundfunkbewilligung undundund, für den Dieb kaum verwertbar, für mich aber mit hohem Wiederbeschaffungsaufwand verbunden. Ich begab mich zum örtlichen Gendarmerieposten, wo mich ein freundlicher älterer Herr Inspektor gegenüber seinem Schreibtisch Platz nehmen hieß. Er hörte sich in aller Ruhe meine Geschichte an, machte sich gelegentlich mit seinem Bleistift Notizen auf einem kleinen Schreibblock und dachte nach. Schließlich meinte er dann: „Es ist halt so: Wenn wir jetzt eine Diebstahlsanzeige machen, beginnt alles offiziell zu laufen; dann müssen Sie einen neuen Führerschein beantragen, neue Dokumente, das kostet, auch wenn wir den Täter schnappen. Ich bin hingegen zuversichtlich, dass wir in zwei, drei Tagen Ihre Papiere finden. Es wurden letzte Nacht mehrere Autos aufgebrochen, wir sind uns ziemlich sicher, wer das war. Wenn Sie einverstanden sind, warten wir noch etwas zu. Sollten Sie inzwischen eine Verkehrskontrolle haben, sollen die Beamten hier am Posten anrufen. Ich schreibe Ihnen die Nummer auf.“

Er nahm einen Zettel und schrieb mit seinem Bleistift säuberlich „Gendarmerie Gallneukirchen“ sowie eine Telefonnummer darauf. Offenbar hatte er sich dabei verschrieben, denn er runzelte die Stirn, legte den Bleistift beiseite, entnahm seiner Schreibtischschublade einen halbrunden, weißlichen, abgenutzten Radiergummi und begann sorgfältig die letzte Ziffer wegzuradieren. Plötzlich entglitt der Radiergummi seinen Fingern, rollte über die Tischkante und fiel zu Boden. Ein Ausdruck milden Tadels trat in sein Gesicht. Er blickte stumm auf den kleinen Ausreißer, schüttelte den Kopf und meinte mit würdevollem Ernst: „Ja schämst du dich denn gar nicht?“

Schon am nächsten Tag erhielt ich meine gesamten Papiere zurück. Der Mann kannte seine Pappenheimer ebenso gut wie sein Büromaterial! Irgendwie schade um die gute alte Schender Mary!

© Josef Peneder 2022-03-23

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