von Anna Kerbl
Völlig außer Atem stürmte ich das Kaffeekränzchen im Garten meiner Eltern. Meine Großeltern die gleich nebenan wohnten, waren zu Besuch.
„Opa in deinem Garten sitzt eine Schildkröte“ verkündete ich aufgeregt. „Ach Kind bei uns gibt es doch keine Schildkröten, so ein Blödsinn“, wollte mich mein Opa beschwichtigen. „Eine Fantasie hat das Kind“, setzte meine Oma lächelnd noch eins drauf. Sofort fiel ich ihnen ins Wort und schilderte meine Entdeckung, die ich im Garten meiner Großeltern machte, als ich mit meinem Fahrrad unterwegs war. Doch keiner schenkte mir Glauben. Auch meine Mutter sprach von einer Täuschung oder gar von einer Verwechslung. Enttäuscht zog ich wieder ab. Das ganze ließ mir natürlich keine ruhe, schnurstracks ging es in den Garten meiner Großeltern zurück, zu der großen Eibe. Unmittelbar danach stürmte ich erneut die Kaffeerunde. Um einiges energischer und mit Nachdruck wiederholte ich mich: „Opa unter deiner Eibe hockt wirklich eine Schildkröte!“
Diesmal antwortete mein Opa bereits etwas gereizt, dass dies ein Blödsinn sei, denn in Österreich gibt es keine Schildkröten. Doch ich gab nicht nach, stur hielt ich an meiner Behauptung fest. Ich war doch nicht blöd und wusste, was ich gesehen hatte. Schließlich brachte ich meine Großeltern dazu ihr Kaffeekränzchen vorzeitig zu beenden. Mein Opa wollte dem Spuk ein Ende setzen und mir beweisen, dass es in seinem Garten keine Schildkröten gab. Nervös eilte ich voraus ich hoffte inständig, dass sich das Tier in der zwischen Zeit nicht verkrochen hatte.
Erleichterung, als ich das Grundstück betrat, die süße kleine Schildkröte hockte jetzt mitten im Garten. Sofort lief ich meinen Großeltern wieder entgegen und drängte sie, sich zu beeilen. Das Geschimpfe meines Opas war mir egal, wusste ich doch, dass ich im Recht war.
„Ja gibt es denn das auch eine Schildkröte bei uns im Garten“ verkündete meine Oma laut und machte dabei große Augen als sie das Reptil erblickte. Mein Opa war währenddessen damit beschäftig das Tier mit einem Stock zu berühren und schwafelte mürrisch etwas, dabei fiel auch das Wort Plastik. Erst als das Tier seinen Kopf einzog, meinte er völlig erstaunt aber auch etwas reumütig in meine Richtung: „Die ist tatsächlich echt!“
Wir kamen schließlich zum Schluss, dass dieses Tier jemand aussetzte. Mein Gejammer half nichts ich durfte das Tier nicht behalten, meine Eltern wollten keine Schildkröte im Haus. So kontaktierte mein Opa das Tierheim. Schade!
Ein paar Tage später erkundigte ich mich nach dem Tierheim, in den das Reptil untergebracht wurde. Doch meine Oma teilte mir erfreut mit, dass sie im Tierheim niemanden erreichten und sich Opa daher entschlossen hatte das Tier in den Wald zu tragen, wo es seit einigen Tagen lebte.
„Ach Oma, ihr habt wohl eine blendende Fantasie. Eine Schildkröte, die bei uns im Wald lebt, wie soll denn das gehen!“, dachte ich traurig und hoffte inständig, dass es das Tier im Schildkrötenhimmel schön hat.
© Anna Kerbl 2021-04-18