von Musenzeit
„Die Schönheit ist mein Fluch.“ Das wird sie später sagen. Würde jemand ein Angebot, „die schönste Frau der Welt“ mit Ruhm und Luxus in Hollywood zu werden, ablehnen?
Das Gesicht einer unverkennbaren Film-Diva der 40-er-Jahre prangt von einem Plakat. Hausfrau. Künstlerin. Wildfang. Ich musste diese unerwarteten Zuschreibungen zweimal lesen.
Vor dem Ausstellungsbesuch schaue ich mir am Abend zuvor einen neuen Film zum Thema Schönheit an. Karoline Herfurths dramatisch-komödiantischer Episoden-Film „Wunderschöner“, der generationenübergreifend Beziehungs- und Genderthemen zwischen Ehetherapie, Arbeitsplatzbelästigung, feministischer „Klit-Kunst“ und Prostitutions-Freierforen-Schockern sondiert und geschickt auspendelt. Das Kino ist voll junger Frauen, die Reaktionen erwartbar bewegt, zustimmend. Eine Men’s Night für diesen Film – Fehlanzeige. Schade. Die feministisch-emanzipatorische Aufklärungsarbeit weiterzutragen bleibt hier am weiblichen Geschlecht hängen, dabei wäre u.a. mit dem sympathischen Gewaltpräventionstrainer Trevor (Malick Bauer) ein attraktives identifikatorisches Rollenmodell zu sehen.
Ich nehme diese neuen filmischen Perspektiven mit in die Ausstellung über Hedy Lamarr (1914 – 2000). Inzwischen promotet man sie als „Lady Bluetooth“, als Erfinderin, anspielend auf ihre Erfindung einer Funkfernsteuerung, die sie in Zusammenarbeit mit dem Komponisten George Antheil entwickelte und die 1941 als Patent für Radiofrequenzspungverfahren eingereicht wurde. Außerdem und vor allem bekannt war sie als Film-Diva.
Die in einem gebildeten, wohlhabend-liberalen jüdischen Haushalt erzogene Hedwig Kiesler findet früh den Weg zum Schauspiel und Film. Minderjährig spielt sie (unter fraglichen Umständen, metoo lässt grüßen) als 1. Frau nackt in einem Film („Ekstase“1933) und ist im gleichen Jahr als „Sissy“-Kaiserin auf der Bühne zu sehen. „Jedes Mädchen kann glamourös sein. Du musst nur still stehen und dumm dreinschauen.“
Als „Aschenputtel mit goldenen Tellern“ (Hedys Worte) verlief die Ehe mit Fritz Mandl, Waffenfabrikant und reichster Mann Österreichs, bevor sie sich 1937 vor einem drohendem Krieg und ihrem kontrollsüchtigen Ehemann nach Amerika absetzt. MGM-Leiter Louis B. Meyer nimmt sie unter Vertrag und kreiert aus ihr den Star „Hedy Lamarr“ mit dem Promotionlabeling „schönste Frau der Welt“. Dekorative, archetypische Rollenpartien zeichnen sie aus, u.a. Delilah in „Samson und Delilah“. Der von ihr verkörperte femme fatale-Typus ist nach dem Krieg nicht mehr „in“. Keine Rolle würde sie nochmal spielen wollen, bemerkt sie rückblickend. Ich lese über sechs kurzlebige Ehen, Luxus, zahlreiche Affären, Schönheits-OPs, Abhängigkeit von Amphetaminen und Schlafmitteln (Usus als „Werkzeuge“ in Studios, um Produktionszeit zu verkürzen), Prozesse, privater Rückzug – und die Sehnsucht nach Wien und ihrer Kindheitserlebnisorte. Sie wäre nie seelisch „im kalten Amerika“ angekommen. Warum blieb sie? Sie ließ ihr Gesicht bis zur Unkenntlichkeit operieren. Der Schönheitsfluch. Wäre Hedy heute z.B. mit einer Rolle aus Herfurths Filmen erlöst? Charaktere des Alltags mit Ups and Downs, die weitermachen, so gut sie können. Die einander wahrnehmen, miteinander kooperieren statt konkurrieren lernen. Weil Frauen wunderschön sind, wie sie sind. Jede einzelne ein Schönheitsunikat, zu jeder Zeit.
© Musenzeit 2025-02-26