Die Schönheit der Sprache

Michael M. Stanic

von Michael M. Stanic

Story

In den diversen Sprachen und in ihren typischen Redewendungen entfalten sich am Balkan unglaubliche Wortschöpfungen, die einzigartigen Bildern gleichen. In Dalmatien fĂŒhrten Jahrhunderte andauernde Herrschaften zu unterhaltsamen Varianten slawischer, osmanischer und romanischer Provenienz. Mehr noch als in Österreich, bildeten sich wie in italienischen Stadtstaaten sympathisch klingende Gebilde. Großmutter Ă€ußerte sich je nach GemĂŒtslage, Wetter, Wind und dem Stand der Reben in ihren Weinbergen in unaussprechbaren Refrains. Je nachdem wie der Tropfen mundete, erregte sie sich, denn Umgangssprachen besitzen je nach Region besonders ausdrucksstarke Schimpfworte und enthemmte Aphorismen. DemgegenĂŒber wirkt das alpenlĂ€ndisch bayerische gelegentlich unmelodisch und farblos, manche meinen sogar etwas derb.

Der harmonisch klingende wienerische Jargon hingegen, charmant bereichert durch viele ungewöhnliche Kombinationen tschechischer, galizisch-jĂŒdischer sowie slawischer Charaktere, strahlt so etwas wie Heimat und Geborgenheit aus. Mit dem lausbĂŒbischen Wiener SchmĂ€h‘ der umtriebigen Ikone der Wiener Cafehauskultur, Herrn Robert im Landtmann, erstrahlte die bisweilen zynische österreichische Seele in ihren wunderbaren Dialektschöpfungen. Die langgezogenen Akzentmodulationen gleichen bisweilen den ebenso interpretiertbaren Liedern Schuberts oder der Dramatik einiger Beethoven Sonaten. In gepflegter Kombination mit einer unnachahmbaren Mimik des “Maestros” nobilitiert sich so das Wesen dieser Sprachsymfonien. Die schulmeisterlich gemeinte Frage, „Wolln’s bitte sonst noch was wiss’n“, erinnert an Nestroys oder Horvaths Wortarchitektur und verunsichert den verdutzten Gast. „Meint er es so oder fĂŒhrt er mich nur aufs Glatteis“, denkt sich daraufhin der ein wenig frech daher parlierende Gast? Die stolze Behauptung, „Hama grade a Buch gschrieb’n“, glĂ€nzt nicht als natĂŒrliche Feststellung, sondern wie ein gesungener Kaufbefehl eines Wieners, der sich noch in der alten kaiserlichen Welt zu Hause vermeint. Die wiederholte Ankunft im Universum des stolz regierenden Oberkellners mag mit der etwas ĂŒberraschenden Bemerkung, „Wann i di‘ seh, geht’s ma immer guat“, beginnen. War dies der so gut inszenierte SchmĂ€h‘ oder nur das eloquent verkleidete Mandat, doch baldigst wieder zu gehen? Ob wir es je erfahren?

Wenn sich der Connaisseur der Wiener Sprachpyramiden in die vergangene K&K Provinz Dalmatien begibt, hört er Redensarten, die dort ĂŒberlebten oder die der Ober, stets im schwarzen Anzug servierend, aus Österreich, Deutschland oder Italien einst mitbrachte. Weil hier so viele liebenswerte Dialekte einströmten, erklingt im Hafen Markt Splits ein großer babylonischer Chor der Tausend ohnegleichen! Falls man gut Kroatisch oder Italienisch beherrscht, bedarf es dennoch einiger MĂŒhe, um in dieses geheimnisvolle Milieu aus 1001 Nacht eintauchen zu können.

© Michael M. Stanic 2020-05-31

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