Die Schönheit von Wien

Hermann Exenberger

von Hermann Exenberger

Story

Ja, die Schönheit von Wien ist für mich einfach ein Geschenk. Man muss nur wissen, wie man das Geschenk geschickt auspackt. Ich gehe zum Beispiel durch die Innenstadt, wenn die meisten Flaneure schon zu Hause sind oder bei den besten Wirten Unterschlupf gefunden haben. Die Stadt gehört dann mehr oder weniger mir, samt ihren Schatten und Lichtern, ihren merkwürdigen Gerüchen und übertriebenen Farben. Gerade so um die Weihnachtszeit hat mein Wien seine Schminke dick aufgetragen, festlich und stolz, mancherorts aber auch ein bisschen schäbig und oft auch glamourös. Ich gehe über den Kohlmarkt, wo die Lichter tanzen wie in der Alten Donau die Algen, biege in den Graben ein, der von überdimensionalen Lustern in eine Art Wohnzimmer verwandelt wird. Es kommen mir Menschen mit roten Wangen entgegen, die von innen genauso leuchten wie die Luster von oben. Über den Stephansplatz hinüber zur Rotenturmstraße. Aber natürlich geht mein Blick zum Südturm des Doms, zur jetzt schon so berühmten Himmelsleiter, die uns die Künstlerin Billi Thanner als wunderbares Kunstwerk geschenkt hat.

Diese Möglichkeit nach oben zu blicken bedeutet auch, meinen Sehnsüchten, Wünschen und Hoffnungen freien Lauf zu lassen, mir selbst Mut, Stärke und Ausdauer zuzusprechen, Kraft und Zuversicht zu tanken an diesem so historischen Ort im Herzen von Wien.

Die Rotenturmstraße mit den rotbackigen Lampion-Kugeln, die über der Begegnungszone hängen. Ich betrachte sie wohlwollend, kann aber auch eine ironische Botschaft in ihnen entdecken.

Weihnachten 2021 ist eine Bescherung. Weihnachten ist auch eine Herausforderung. Irgendwo dazwischen sind die besonderen Momente scheinbar verborgen, nach denen ich schürfen muss. Ich grabe mich daher durch die Stadt an diesem Abend, die uns alle, die wir einander begegnen, zu Verbündeten macht.

Dann stehe ich auf der Schwedenbrücke wie schon so oft, bewundere das warme Licht unter den Nachbarbücken, wo es, wie ich weiß, trotzdem kalt ist. Verlasse das Zentrum, nicht ohne mich nochmals umzudrehen und nach der Himmelsleiter auf den Südturms des Doms zu schauen und mir in Erinnerung zu rufen: Eine Leiter führt vom Inneren bei der Taufkapelle hoch mit 21 Sprossen bis zum Gewölbe des Wiener Stepansdoms, ragt dann aber über das Dach hinaus und führt diesen zweiten Teil mit über 30 Sprossen, bis auf die Spitze des Südturms, in eine Höhe von 136 Metern.

Gehe die Praterstraße entlang, kaum ein Auto, erleuchtete Fassaden. Der Praterstern, Baustelle. Hier bekommen wir in Kürze ein paar Blumen und Bäume geschenkt, was mich freut.

Dann bin ich endlich angekommen beim Geschenk, das mir die Stadt macht und das ich gesucht habe an diesem Abend. Ich stehe vor dem Riesenrad. Sein Sockel ist scharlachrot erleuchtet. Die Gondeln sind wie Christbaumkugeln, unbeweglich, weil sich gerade nichts dreht. Glanz und Licht, und alles steht still, nichts geht weiter. Dann fahre ich langsam nach Hause.

Hinweis: freizeit- C.Seiler S 50

© Hermann Exenberger 2022-03-05