von Sandra Neumüller
Dort, wo viele JunglehrerInnen häufig schon nach einem Schuljahr um Versetzung ansuchen, absolvierte auch ich mein erstes Dienstjahr.
In diesem von strengen Wintern heimgesuchten Ort, der so manche Anfahrt zum Schulgebäude in ein Abenteuer verwandelt, tritt das „Jeder-kennt-jeden-Gesetz“ oder auch das „Kleine-Welt-Phänomen“ in Kraft.
Als frischgebackene Absolventin der Pädagogischen Hochschule konnte keine volle Lehrverpflichtung an mich vergeben werden.
Außerdem sollte ich eher als Lückenfüllerin für Stunden fungieren, die meine Zweitlehrerin aufgrund ihres Alters und der vor der Pension stetig sinkenden Freude an der Schule nicht mehr halten wollte.
Diese Zweitlehrerin war im Ort äußerst bekannt, denn sie hatte ihre stolze Dienstzeit von 42 Jahren ausschließlich dort abgehalten. Die Frau Oberlehrerin hatte das Lehramtsstudium bereits im zarten Alter von 20 Jahren abgeschlossen, weshalb für sie ihr nunmehr letztes Dienstjahr angebrochen war. Dementsprechend froh war sie über Unterstützung und meine Übernahme der Klassenvorstandstätigkeit.
Wie üblich wurden die SchulanfängerInnen am ersten Schultag von ihren Eltern mit Sack und Pack bis in die Schulklasse begleitet. Dort waren bereits meine Zweitlehrerin und ich frisch gefangene Junglehrerin, mit einem Altersunterschied von stolzen 40 Jahren, dem größtmöglichen in der Geschichte des Teamteachings, zugange.
Schüchtern kamen die Kinder herein, neugierig die Eltern. Über den genauen Stammbaum jedes Kindes unserer zukünftigen Klasse war ich bereits vorab informiert worden. Alle kannten meine Kollegin und waren wahrscheinlich seit ihrem eigenen Schulabschluss per Du mit ihr.
So kam es, dass einer der auch am ersten Schultag anwesenden Väter auf meine Kollegin zukam und äußerst freundlich bemerkte: „Mei, unsere alteingesessene Frau Lehrerin, das ist aber lieb von dir, dass du uns auch deine Enkelin mitgenommen hast! Dann lernen wir die auch gleich kennen!“
Er sprach´s und deutete dabei zweifelsohne in meine Richtung!
© Sandra Neumüller 2022-10-31