von Innisa
“Wollt ihr mich vergiften?” fragt er empört, wenn man ihm biologisch produzierte Lebensmittel vorsetzen möchte. Er ist ein sturer Hund, ein konventioneller Bauer und mächtig stolz darauf. Mit Bio braucht man ihm nicht zu kommen. Was in Österreich angebaut werde, müsse so hohen Standards genügen, dass man getrost alles essen könne. Besser als Bio aus Weißichwoher von Weißichvonwem und vielleicht auch noch durch die halbe Welt gekarrt. Nein danke.
“Was wollen diese Ökos eigentlich mit ihrer Biodiversität und ihrem Artenschutz?”, fragt er naserümpfend, als er von der Leiter steigt. Gerade hat er im frisch umgebauten Melkstand ein Podest montiert. In dieser Ecke haben jedes Jahr Schwalben genistet. Sie sind durch das Fenster über die Rücken der Kühe hinweg gesegelt und haben ihre Jungen hier großgezogen. Trotz des Lärms und des Gestanks und der Hitze. Damit sie auch nach dem Umbau wiederkommen, installiert er das Podest. Weil es in den vielen neuen Ställen kaum noch Winkel gibt, wo man ein Nest bauen könne, brummt er und betrachtet sein Werk. Ob sie wohl wiederkommen werden? Schon sehnsüchtig wartet er auf die ersten Schwalben. Er hat aber auch die anderen gedacht. Für die Mäusebussarde und Falken hat er Schneestangen oben mit einem kleinen Hölzchen versehen, damit die Greifvögel bequemer auf die Beute ansitzen können. Die Stangen werden bereits ausgiebig genutzt.
“Wusstest du, dass DIE Kontrollore für die Kontrollore haben? Da kommt einer und beschäftigt dich den ganzen Tag, will in jede Ecke hineinschnüffeln und einen Tag später kommt ein anderer, um nachzusehen, ob der beim Schnüffeln nicht etwas übersehen hat. Völlig verrückt. Mittlerweile gibt es mehr Kontrollore als Bauern!”, erklärt er. Dann ruft er den Lohnunternehmer an, der die Winterbegrünung umbrechen wird, damit er nicht zu spät kommt, wenn die Bienen schon ausgeschwärmt sind. Als Begrünung für die Felder hat er nämlich Rübsen, eine Art Raps, angebaut, die jetzt in voller Blüte stehen und von den Bienen fleißig angeflogen werden.
“Die sollen einmal hierher arbeiten kommen und sich nicht ständig neue Bürokratie einfallen lassen!”, motzt er, als er bei den letzten Arbeiten zur Installation der Photovoltaikanlage auf dem Dach seiner Maschinenhalle mithilft. Damit möchte er die Melkanlage betreiben. Um den erzeugten Strom auch bestmöglich zu nutzen und nicht für wenige Cent ins Netz zurückzuschicken, legt er sich auch gleich ein Elektroauto zu. Wenn die Sonne scheint, werden die Waschmaschine und der Trockner eingeschaltet, das E-Auto aufgeladen und der Stromspeicher für Vakuumpumpe und Kühlung gefüllt.
Täglich beschwert er sich und bellt herum, dass es nur so hollert und rumpelt. Und dann, eines Tages, schießt die erste Schwalbe durch den Melkstand, über die Rücken der Kühe hinweg, und begutachtet das Podest. Und dann kommt eine zweite. Egal wie sehr er schimpft und seinen Ruf als Rüpel und sturer Hund pflegt, die Schwalbe macht den Unterschied.
© Innisa 2021-04-27