Die Schwester

Seelenbaumler

von Seelenbaumler

Story

Elf Monate alt war der kleine Bub bei der Geburt seiner Schwester. Im Gegensatz zu seiner Schwester war er kein Wunschkind, sondern ein vorehelicher „Ausrutscher“.

Die erste Geige spielte die Schwester. Der schüchterne Bruder hielt sich zurück. Er machte das, was ihm seine Mutter und seine Schwester aufdrängten. Der Vater arbeitete viel. Seine Rolle als Vater übernahm er nur in seiner kärglichen Freizeit.

Im Laufe der Zeit stritten sich die Geschwister immer häufiger. Die Schwester wollte ihre Wünsche gegenüber dem Bruder durchsetzen. In ihrer Mutter fand sie eine willkommene Unterstützung. Die Geschwister tickten ganz unterschiedlich. Da der weiterhin ruhige Bruder, dort die herrschsüchtige Schwester. Im Teenageralter fing der Bruder an, sich zu wehren. Daher krachte es zwischen den Beiden manchmal kräftig. Schließlich gingen sich die Geschwister bestmöglich aus dem Weg.

Eine besondere Fügung ergab sich bei der großen Hochzeitsfeier der Schwester. Der Bruder lernte gerade dort seine zukünftige Frau kennen. Trotz allen Widrigkeiten bat die Schwester den Bruder, die Taufpatenschaft ihrer Söhne zu übernehmen. Er stimmte zu. Dadurch gestaltete sich das Verhältnis friedlicher. Bald wurde die Schwester die Taufpatin der Kinder des Bruders. Einige Jahre normalen, zeitenweisen freundschaftlichem Zusammenlebens folgten.

Der Bruder stieg bereits in jungen Jahren in das elterliche Unternehmen ein und übernahm später die Firma. Dabei hielt er im Gegensatz zu seiner Schwester engen Kontakt mit seinen Eltern. Die Schwester meldete sich nur sporadisch. Um des lieben Friedens willen stellte der Bruder seine Schwester in seinem Unternehmen ein. Bei etlichen ihrer eigenmächtigen Aktionen bei der Arbeit drückte er beide Augen zu.

Im Laufe der Zeit stellten sich Umstände ein, die den Bruder veranlassten, das Unternehmen zu verkaufen. Damit löste sich die letzte Verbindung zur Schwester. Die Eltern konnten den begründeten Verkauf des Unternehmens nicht verstehen und ihrem Sohn nie verzeihen. Somit reduzierte der Bruder die Kontakte zu seinen Eltern. Die Schwester übernahm seinen bisherigen Part und kam ihren Eltern wieder näher. So schloss sich ein Kreis. Die Schwester konnte wieder gegen den Bruder intrigieren und die Eltern auf ihre Seite ziehen.

Der nächste persönliche Kontakt von Bruder und Schwester ergab sich erst nach fünfzehn Jahren am Sterbetag der Mutter. Die Schwester missbrauchte das Zusammentreffen der Familie, um ihre heftige Abneigung gegenüber ihrem Bruder nochmals deutlich kundzutun. Der Vater starb zwei Jahre später. In seinem Testament reduzierte er das Erbe des Sohnes auf den Pflichtteil. Die Schwester verweigerte die Auszahlung. Daher muss ihr Bruder nun das Gericht bemühen.

Schwester und Bruder, die außer gemeinsamen Eltern nichts Gemeinsames hatten. Wer von der geschätzten Leserschaft aus der Geschichte den Lebenslauf des Autors ableitet, hat recht. Es ist, wie es ist.

© Seelenbaumler 2022-06-17

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