Die Sechs As(se) – Kapitel 6

Dorian Raphael Kalwach

von Dorian Raphael Kalwach

Story

Mein Noch-Nicht-Verlobter, Lukas, las aus seinem Roman: „…Er hievte die Leiche in das Loch und begann es mit der feuchten Erde zuzuschütten. Das Blut auf seiner Brust erhärtete sich langsam und fühlte sich auf seinem muskulösen Oberkörper immer mehr wie ein Tattoo an. Sein Rücken war nass geschwitzt. Seine Schuhe voller Morast. Er stank bestialisch. Als er die kniehohe Grube endlich zugeschüttet hatte, trat er nochmals alles fest. Wie ein Irrer drosch er mit der Schaufel auf den Boden, lockerte die Erde wieder auf und versuchte alles so normal wie möglich aussehen zu lassen. Er schob Laub, Moos und Geäst auf das Grab seines dritten Opfers und hielt dann inne. Sein Blut kochte vor Adrenalin und Endorphinen. Er blickte gen Himmel. Der Mond blendete ihn. Er sah auf seine Erde beschmierten Hände. Der linke Nagel des Ringfingers war ihm beim Erdrosseln abgebrochen. Er starrte mit reumütigem Blick in die Waldkronen. Würde ihm Gott verzeihen?“ Applaus ging durch den Raum. Toni, Helena und ich saßen gebannt auf den vorletzten Plätzen des bum-vollen Geschäfts. „Wie schaffen Sie es so realistisch zu schreiben?“, fragte eine Frau in der zweiten Reihe. Er starrte auf mich und grinste.

„Alles, was ich schreibe, muss ich erlebt haben. Es ist befreiend das mal nicht nur dir erzählen zu können, Adisa. Diese Gefühle kann man nicht erfinden, nicht zu Papier bringen, ohne, dass sie selbst gefühlt wurden. Ich lebe die Träume der Menschen. Warum kaufen wir Bücher? Schauen Filme an? Wir wollen einmal jemand anderer sein. Vielleicht aber auch einmal… man selbst. Ist es nicht so?“, fragte Lukas grinsend durch die Frauenrunde. Die drei schwiegen beunruhigt. „Mir hat die Erklärung beim Morawa besser gefallen.“, meinte Toni. Lukas grinste und erwiderte ernst: „Ich weiß, ich wirke irre, aber diese Frau liebt mich mit allen meinen Schwächen und meinen… abgrundtiefen Dingen, die ich getan habe…“ Plötzlich fing er an zu lachen und Helena erschrak sich.

„Wir können nicht mit einem Mörder arbeiten, Adisa!“, meinte Helena, als sich die zwei Frauen mit mir im Schlafzimmer verschanzt hatten. Ich nickte und erklärte: „Er ist sehr komisch, wenn er Menschen das erste Mal trifft, aber er ist ein herzensguter Mensch… Bitte gebt ihm eine Chance!“

Lukas zog sich gerade um und ich putzte mir die Zähne. „Sie hassen mich, oder?“, fragte er. Ich sprach mit der Bürste im Mund: „Noch!“ „Vielleicht sollte ich mich doch testen lassen… Vielleicht bin ich ja doch ein Psychopath…“, sagte er. Ich spuckte aus und sprach: „Lukas… Du liebst mich doch!“ Er nickte. Ich spülte meinen Mund aus und kam zu ihm. „Du machst das doch wie Feldforschung. Es ist abstoßend, was du tust. Aber… Du tust das ja nicht aus Spaß! Psychos empfinden keine Reue, keine Liebe, aber du schon!“, beruhigte ich ihn. Er sprach geistesabwesend: „Was auch immer Liebe bedeutet.“, und grinste dann. „Du ‚charlest‘ mich nicht, Lukas!“, nörgelte ich gespielt. Er küsste mich lachend und sprach: „Meine Diana.“

© Dorian Raphael Kalwach 2022-07-27

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