von Lorenz Graf
2001 ein Schock. Die Sofiensäle brennen! Damit verbrennen die aufregendsten und schönsten Erinnerungen meiner Zeit in Wien.
Jetzt, Jahre später, versuche ich einige Erinnerungen zu „retten.“ Ich will hier nicht die Asche bewahren, sondern das Feuer der damaligen Zeit weitergeben.
Ende der 1960er und Anfang der 1970er Jahre war die Zeit im Fasching, in der ich gerne Bälle besuchte. In guter Erinnerung sind mir die Sofiensäle geblieben: der wunderschöne Tanzsaal, der Herzerlkeller im Untergeschoss, die großen Tanzorchester und viele tanzfreudige junge Menschen. Veranstaltungen wie der Ball der Oberösterreicher oder der Tirolerball haben wir geliebt. Unerreicht in der Beliebtheitsskala war das ÖKISTA-Gschnas (Österreichisches Komitee für internationalen Studentenaustausch). Da wurden Bekanntschaften gemacht, Freundschaften geschlossen, Blicke auf verführerische Dekolletes geworfen, nach Mädchen mit möglichem „Jagdglück“ Ausschau gehalten. Neben der Lust an den körperlichen Bewegungen zu den Walzerklängen, gesellte sich auch das Küssen und Schmusen in einer dunklen Ecke, denn beim Tanzen waren die begehrenswerten Körper ja kaum ertastbar. Müde, aber glücklich und reich an schönen Erfahrungen, akzeptierten wir das Ende des Balls in den frühen Morgenstunden.
Wenn wir noch etwas Geld übrig hatten leisteten wir uns eine Gulaschsuppe und ein Bier in einem Cafe am Schwarzenbergplatz. Meistens war das aber nicht der Fall. Dann hieß es gehen. Straßenbahnen fuhren noch nicht und fürs Taxi war kein Geld mehr da. Also zu Fuß durch die Innenstadt bis zum Schottentor, dann die Alser Straße bis zum Gürtel und in der Ottakringer Straße weiter bis zum Brunnenmarkt. Das mehrmals in der Ballsaison. Heute ist das kaum mehr vorstellbar für mich. Doch meine Füße trugen mich tatsächlich nach durchtanzter Nacht durch die Stadt. Ich bin froh, dass sie mich heute noch tragen, egal ob über harte, gepflasterte Wege oder über weiche Waldböden beim Schwammerlsuchen.
Zehren sie vielleicht auch noch vom Tanzen in den Sofiensälen?.
© Lorenz Graf 2020-03-17