Die Spanierin

Clara Johanna Dettinger-Klemm

von Clara Johanna Dettinger-Klemm

Story

Es war in meinem Kopf bereits fixiert. Virtuell hatte ich die Stadt unter die Lupe genommen und gefunden was ich suchte. Klein, fein und vielversprechend. Genau das, was ich wollte und es sah danach aus, als hätten sie meinen Schatz. Wie viel Zeit ich mir wohl lassen konnte? Ein paar Tage? Mehr? Hätte ich gestern bereits hingehen sollen? Auf meinem Handy blitzte der Name meines Vaters auf. Ich wusste, was er fragen würde und es kam mir wie gerufen. Ihn würde das auch interessieren. Ich dachte immer, er würde die kleinen Geheimnisse der Stadt besser kennen als ich, aber scheinbar hatte ich etwas entdeckt, das er nie gesucht hatte. Es traf sich also für uns beide gut. Unser Weg führte uns durch bekannte Gassen in einer bekannten Gegend, vorbei an altvertrauten Schaufenstern und Gerüchen und an eine Tür, die uns aus geschlossenen Augen kaum anblickte. Mein Fahrradschloss schnappte ein und fesselte meinen Esel an den Balken. In meiner Erinnerung führten Stufen hinauf zur schmalen Glastür mit dem dunklen Holzrahmen, aber vielleicht waren da keine. Wir traten jedenfalls nacheinander durch die Tür in eine Höhle aus Saiten, Holz und Tönen, die triefend in der Luft standen. Der kleine Laden duftete nach unterschiedlichen Hölzern, nach Metall und Holzstaub. Hinter mehreren Winkeln versteckte sich schüchtern eine kleine Werkstatt. Um uns herum schmiegten sich die Instrumente an die Wände, über unseren Köpfen hingen sie und warteten darauf, zwischen Hand und Körper zu Musik zu werden. Wie immer fand ich schnell, was ich suchte, und so hielt ich nach nur drei Versuchen meinen neuen Schatz in den Armen. Jedoch nur kurz. Magisch von ihr angezogen war sie nun bei meinem Vater. Seine Finger zauberten wunderbare Melodien hervor, die den Raum erfüllten und mit denen ich niemals mithalten konnte. Voller Verblüffung sagte er nun: „die ist vielleicht sogar besser als meine“. Einen Satz den bald auch viele anderen hören würden und der die Neugier in ihnen weckte, was mir im Übrigen einige Sponsoren bescherte. Scheine gingen über den Tisch, der Koffer wurde gefunden und mein Rad musste die Nacht im Freien verbringen. Mein Geschenk von mir für mich: ein Schatz. Ich frage mich, welche Geschichte sie hat und welche Stücke sie früher hervorgezaubert hat. Wer war wohl die erste Hand nach dem Meister, die sie zum Klingen brachte und wieso verließ sie ihr altes Heim? Nicht, dass die Antworten etwas ändern würden, aber lediglich der Gedanke daran, dass sie eine Geschichte hat, macht mich nochmal ein Stück neugieriger und glücklicher, sie jetzt bei mir zu wissen. Nun bleibt nur noch das Üben, damit sich meine Sponsoren nicht betrogen fühlen. Vielleicht zu Weihnachten? Vielleicht, vielleicht schaffe ich bis dahin etwas …






© Clara Johanna Dettinger-Klemm 2020-09-27

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