Die Spinne und die Fliege 2/2

Die Spinne fragte die Fliege: “Würdest du mich töten und von meinen Qualen befreien wenn du jetzt eine Spinne wärst ?“ Die Fliege meinte: “Wenn ich eine Spinne wäre, würde ich nicht wagen, in dein Fädenlabyrinth einzudringen, das könnte den Tod bedeuten. Entweder ich verheddere mich wie du, oder du tötest mich zuerst. Nein, ich würde mir irgendwo anders ein Netz bauen, und Fliegen fangen die nicht so wie ich mit einer List versuchen auszubrechen.“

Die Spinne erwiderte:„Leider hättest du dieses Wissen nicht, wenn du eine Spinne wärst. Hätten wir uns gegenseitig geholfen, würden wir beide noch eine hohe Lebenserwartung haben. Aber dann hätten wir gegen den Lauf der Dinge gehandelt, und das ist nicht so leicht.“

„Und was würdest du machen wenn du eine Fliege wärst? Du wärst genauso verloren wie jetzt, ich hätte nicht so lange gezögert. Sieh nur was wir davon haben, ich sterbe langsam hier, nicht mal eine richtige Fliege bin ich, was bin ich denn noch ohne Flügel. Und du bist in deinem eigenen Netz gefangen, das du so kunstvoll und standhaft aufgebaut hast. Wohl zu standhaft, den gerade das nimmt dir deine Freiheit.“

„Hättest du dich nicht so gewehrt, wär‘ das alles nicht passiert. Und die Qualen wären nicht von langer Dauer gewesen, da ich dich nicht wie gewöhnlich teilweise, sondern ganz ausgesaugt hätte, weil du etwas sehr besonderes bist.“

So verharrten beide und diskutierten darüber, wer nun an ihrem Verderben schuld sei, während der Sand der Zeit Korn für Korn die Lebensenergie aus ihnen saugte. Sie hätten sich vermutlich wahrlich zu Tode geredet, wäre nicht die Amsel herbei geflogen, die sehr erfreut war, gleich zwei Mahlzeiten auf einmal einnehmen zu können. So wurden sie, ohne es zu merken, von ihrer Qual befreit und blieben auf seltsame Art und Weise für immer vereint.