Die Stimme in mir#4 – Was ist schön an dir?

Leah Kerzbeck

von Leah Kerzbeck

Story

Vielleicht bin ich zur Einsamkeit verdammt. Oder das Universum gibt mir Zeichen, dass etwas nicht mit mir stimmt. Wieso sonst, ging jede Beziehung in die Brüche? Wieso sonst, scheine ich einem Schatten hinterherzujagen, der ebenso Unecht ist wie die Charaktere aus meinen Büchern?

„Armselig“, meldet sich die Stimme in mir. „Was jetzt? Willst wieder zurück in deine kleine Wohnung flüchten und Trübsal blasen?” Ich halte inne. „Kannst du mich nicht in Ruhe lassen?” Die Stimme lachte. „Nein. Aber in einem hast du Recht-Es ist ein Zeichen des Universums. Und es wird Zeit, dass du auf es hörst.” Verwirrt überlege ich einen Moment. „Und was will das Universum mir sagen?” „Dass du dich zuerst lieben muss, bevor jemand anderes es kann.” Ich schnaufe, reibe mein Gesicht. „Das sagst du mir schon lange.” „Ach ne!“, rief Stimme, „Und hörst du jemals auf mich? Nein! Es immer das Gleiche mit dir. Anstrengend ist das, wirklich.” Ich bleibe stehen. Der frische Duft von Brötchen weht an mir vorbei, doch als ich an die Fensterscheibe der kleinen Bäckerei trete, stutze ich. Müde betrachte ich meine Spiegelung. Wieder war sie hässlich, hatte ich mein Haar überhaupt gekämmt? „Wen interessiert das?”, meldet sich die Stimme. „Niemanden, außer dir selbst. Schau dir die Leute an.” Ich wende den Kopf und betrachtete ein paar Passanten, die mit Zeitungen vor den Gesichtern und Kaffee in den Händen schnell zu ihrem Arbeitsplatz eilen. „Keiner nimmt dich wahr. Und selbst wenn- was für einen Unterschied würde das machen?” Ich sah zurück in die Scheibe. „Ich weiß es nicht. Vielleicht denken sie dann schlecht von mir…” „Und?”, unterbrach die Stimme mich. „Wieso interessiert dich das? Schau mich an.” Zögerlich trat ich näher an meine Reflexion. „Was findest du schön an dir?” Ich stutze. „Was?” „Nenn mir eine Sache, die du schön an dir findest.” Ich betrachtete mich für einen Augenblick. Mein Haar, meine Nase, meine Lippen, meinen Körper, meine Augen… Meine Mutter hat immer gesagt, ich hätte schöne Augen. Auch habe ich es schon ein paar Mal von Freunden als Kompliment gehört, auch wenn es mir schwerfällt, diesen zu glauben. „Meine Augen”, antwortete ich schließlich. „Na, also”, sagte Stimme zufrieden, „Und was noch?” „Meine Finger. Mit ihnen kann ich Zeichen, Schreiben und Gitarre spielen.” „Sehr gut! Und was kann dein Körper? Deine Beine, deine Arme?” Ich trat einen Schritt zurück. „Ich kann laufen, ich kann klettern. Mein Körper hat schon so viel durchgemacht und doch, ist er immer noch hier.” „Ist er stärker als zuvor?”, fragt die Stimme. Ich lächle. „Ich denke schon. Ich werde älter und doch wächst und lernt mein Körper mehr und mehr zu ertragen.” „Dann wird es Zeit, ihm den Respekt zu geben, der ihm gebührt. Ebenso wie dir selbst.”

© Leah Kerzbeck 2022-08-30

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