Die Stimme meiner Kindheit

Er war DIE Stimme meiner Kindheit und Jugend. Sonntag, nach dem Mittagessen. Einem Mittagessen, während dem ich nicht selten tränen-blind auf das Bild gegenüber von mir an der Wand starrte: Franz von Defreggers Gemälde, auf dem die Bauernfamilie mit Knechten und Mägden beim Essen sitzt. Sonntage waren meine Angsttage. Zu viel wurde aufgetischt und ich schwache Esserin verzweifelte mit schöner Regelmäßigkeit an den mir zugedachten und aufgezwungenen Mengen. Labsal erfuhr ich, nachdem sich meine Eltern zum Mittagsschläfchen zurückgezogen hatten und ich mit dem (ebenfalls ungeliebten) Abtrocknen des Geschirrs beschäftigt war. Allein die Kennmelodie ist mir in Fleisch und Blut übergegangen und damals faszinierte mich am meisten der satte „Plopp“ am Ende der hüpfigen, hopsigen Signation. Und dann begann der Mann zu sprechen. Ich habe, weil einfach noch zu jung, vorerst nichts von dem, was er sagte, verstanden. Allein-mir genügte das Timbre dieser volltönenden, tiefen Stimme, um mein vom Essen aufgewühltes Gemüt zu beruhigen. Mit der Zeit wuchs auch das Verständnis für die Inhalte und oft genug gelang es A.C., meine Gedanken auf Reise zu schicken, ließ sie Höhenflüge erleben, um sie mit markigen Phrasen wieder auf den Boden der Realität zurückzuholen. Gerade sitze ich vor dem Radio und fühle mich ein klein wenig wieder wie damals als Kind. Ich höre eine Live-Sendung aus dem Radiokulturhaus, in der Cecily Corti, die Witwe von Axel Corti, und Benjamin Herzl, ein junger Geiger über das kommende Festival, das dem großartigen Publizisten und Regisseur gewidmet ist, sprechen und ich freue ich mich darüber, dass ein so junger Künstler (B. Herzl kam erst ein paar Monate nach Cortis Tod zur Welt) sich der Herausforderung stellte, dieses Festival zu gründen. Axel Corti zuzuhören erinnerte mich immer ein wenig an Laufrennen: da war einer, der innerhalb kürzester Zeit unglaublich viel zu sagen hatte. Einer, der trotz gleichbleibend sonorer Stimmlage fast gehetzt wirkte in seinen Vorträgen. So, als würde ihm die Zeit nie und nimmer reichen für all das, was in ihm steckte und er nach draußen zu transportieren gedachte.

Sie hat gereicht, um der Nachwelt in Form von Texten und Filmen einen reichhaltigen Schatz zu hinterlassen und es ist wunderbar, wenn diesem scharfsinnigen Denker und Wortkünstler ein würdiges Angedenken gesetzt wird. Liebevoll, klug und abgeklärt klingt Frau Corti im Rahmen dieser Sendung. Gut vorbereitet, einfühlsam und innovativ der junge Musiker und die Zusammenarbeit der beiden wird garantiert ein stimmiges Festival hervorbringen.

Lieber Benjamin, du Schwager meines Sohnes und bester Onkel meiner Enkel-du veranstaltest ein Festival für einen ganz Großen. Das ist eine große Aufgabe und du wirst sie großartig meistern. Sure!