Die Streiche eines Ministranten

Heinz Rappitsch

von Heinz Rappitsch

Story

Mein Opa wollte, dass mein Bruder und ich, gerade sechs geworden, ein Jahr für den Pfarrer ministrierten, obwohl er und meine Eltern niemals zur Kirche gingen. Daraus wurden ganze sieben Jahre, die ich Ministrant in Weißkirchen war. Anfangs war ich brav wie alle anderen, später begann ich, den gutmütigen Pfarrer zu ärgern. Einmal gaben wir Salzwasser statt Messwein in seinen Kelch, worauf er während der heiligen Zeremonie ordentlich spucken musste. In der Sakristei versuchte er anschließend herauszufinden, wer ihm diesen Streich gespielt hatte. Alle hielten dicht. Üblicherweise gab es nach der Messe für uns Ministranten immer eine Süßigkeit und im Sommer ein Eis im Gasthaus. Diesmal gab es kein Eis, für niemanden.

Ein anderes Mal musste ich während der heiligen Messe einen leisen, aber übel riechenden Furz lassen. Darauf flüsterte mir der Herr Pfarrer zwischen den Gebeten ins Ohr: “Du Schwein!” Und wiederum gab es kein Eis.

Zu Weihnachten gingen wir als Sternsinger durch den Ort, zu Ostern singend mit den Ratschen. Beim weihnachtlichen Sternsingen von Haus zu Haus kehrten wir bei einem Bauern ein, der uns selbstgemachten Eierlikör vorsetzte. Während unsere Leiterin mit der Bäuerin tratschte, schenkte der Bauer unentwegt nach, bis wir gemeinsam fast die ganze Flasche geleert hatten. Singen konnten wir an diesem Tag nicht mehr, sondern nur noch nach Hause wanken. Tags darauf änderte ich den Text eines der Lieder und sang, während sich die anderen brav an die Vorgabe hielten: “Wir sind die heiligen drei Könige, mit dem goldenen Stern, wir essen die Zwetschgen, und scheißen die Kern‘.” Die Leiterin beschwerte sich beim Pfarrer, sie ließ mich aus der Truppe entfernen. Und es gab kein Taschengeld.

Die Pfarre beherbergte neben dem Pfarrer und der Köchin noch einen jungen Kaplan. Dieser fröhliche Herr trug lange Haare und rauchte Pfeife. Das ganze Dorf wusste von seinem ruinösen alten Auto und lachte darüber. Vor dem Beifahrersitz gab es ein schädelgroßes Loch in der Bodenplatte, durch das bei Nässe Wasser hereinspritzte. Einige zerrissen sich das Maul über den lustigen Kaplan, der gerne mit uns Fußball spielte. Er war ein Fan meines Onkels Gernot, eines erfolgreichen Stürmers bei Sturm Graz.

Einmal im Jahr veranstaltete man in den Sommerferien ein Ministrantenlager. Eine Woche lebten wir auf einer Almhütte, zusammen mit dem Kaplan, den Betreuern und einigen Müttern. Unser Ministrantenwimpel wurde immer gleich zu Beginn am Dachfirst der Hütte gehisst. Nach altem Brauch wurde dieser Wimpel gern gestohlen.

Eines Abends sah ich zufällig, wie ein Fremder die Leiter hinauf kletterte, die zu unserem Wimpel führte. Ich kletterte ihm nach und biss ihn in den Hintern. Beide fielen wir von der Leiter und zu Boden, aber keiner verletzte sich.

Wir schnappten den Wimpeldieb und warfen ihn in die Brennesseln. Danach steckten wir ihn, obwohl er sich nach Kräften wehrte, in das eiskalte Wasser des Brunnentrogs … wo er kräftig zappelte.

© Heinz Rappitsch 2021-08-19