Die Suche nach der Inspiration

Mein Gott, was sollte das für eine Aufgabenstellung sein? Alex schloss die Augen und wartete auf eine Inspiration, doch in seinem Kopf war absolute Leere. Hatte er allen Ernstes geglaubt, er könne eine Geschichte aus dem Ärmel schütteln wie Scheherazade? Er stand auf, ging in seiner Wohnung auf und ab und ließ seine Blicke über das Bücherregal gleiten. Was sollte er nur schreiben? Ein Märchen? Ein Krimi? Eine Tiergeschichte? Ein derartiges Blackout hatte er noch nie zuvor erlebt.
Das Ticken der Uhr versetzte ihn in Panik. Schnell was Phantasie anregendes – am besten ein Baccardi-Cola! Hmmm, Südseeschönheiten, Sonne! Nein, zu abgedroschen! Er schenkte sich einen Drink für Erwachsene ein und starrte aus dem Fenster. Vielleicht geschah draußen irgendetwas, das er verwerten konnte! Doch hier? In diesem Kaff?
Kopfschüttelnd wandte er sich ab, kippte sich sein Getränk hinunter und goss noch mal nach! Die Uhr tickte nun unnatürlich laut. Die Uhr! Kann man was über eine Uhr schreiben?
Alex bemerkte, dass er anfing, sich an Strohhalme zu klammern! Obwohl – Strohhalme?
„Nein! Nein! Ich muss sofort damit aufhören! Entspann Dich, Junge! Das gibt’s doch nicht!“ verzweifelt leerte er das Glas zum zweiten Mal. Doch auch der Alkohol regte ihn zu keiner Idee an. Na, dann noch einer!
Er kratzte sich am Kopf und fixierte seine Katze, die unbeeindruckt von seiner Not auf dem Sofa lag. Nein, das konnte er gleich vergessen. Über Katzen wurde schon so viel geschrieben. Abgesehen davon war seine so faul, dass sie ihn höchstens zu einem Nickerchen inspirieren konnte.
Da! Ein Gedankenblitz – und ein guter! Doch was? Mist, er war ihm schon wieder entwischt! In seiner Panik fiel ihm nur noch eines ein, das ihn beruhigen und ihm gleichzeitig eine Muse sein konnte: Er drehte sich einen Joint. Schon der erste Zug beruhigte ihn ungemein. Wankend begab er sich wieder zum Fenster und beobachtete die Wolken, die in lustigen Formen vorbeizogen. Den Joint in der einen, den Drink in der anderen Hand starrte er ihnen nach. Da, die sieht ja aus wie eine Kuh! Meine Güte! Was tat er denn da? War da nicht irgendwas, das er gerade unbedingt machen wollte? Gedankenverloren nahm er noch einen Zug, ließ die Kippe in sein Glas fallen und trank noch einen kräftigen Schluck. Was? Was hatte er gerade überlegt? Hatte er Gedächtnisschwund? Was für ein lustiges Wort! Gedächtnisschwund! Weiter aus dem Fenster blickend setzte er sich kichernd auf den Küchentisch, doch plötzlich schrak er hoch. Die Kuh! Sie kam auf ihn zu. Er versuchte zurückzuweichen, fiel vom Tisch und schlug sich den Kopf am Boden auf.
Nachdem er eine Zeit lang benommen ins Leere gestarrt hatte, fiel ihm wieder der Online-Kurzgeschichtenwettbewerb ein.
Vorsichtig setzte er sich wieder auf und fühlte entsetzt, dass seine Hose nass war! Er hatte doch nicht…. Oh, mein Gott! Aber dann bemerkte er, dass es nur das Glas Baccardi-Cola war, das er bei seinem Sturz nicht aus der Hand gelassen hatte. Eine Bewegung am Fenster ließ ihn hochschrecken. Doch es war nur der Wind, der den Vorhang ins Zimmer wehte. Das war also seine Kuh gewesen.
Kopfschüttelnd begab er sich zurück an seinen PC, schaltete ihn aus und ging ins Bett.