von Aamna Mashraj
Hamid saß auf der kleinen Gebetsmatte in seinem Zimmer, die Hände erhoben, die Augen geschlossen. Seine Lippen formten Bittgebete, Worte, die er auswendig gelernt hatte, Worte, die er immer wieder sprach – doch sein Herz fühlte sich leer an.
Seit Jahren betete er. Er bat um Erfolg, um Liebe, um Frieden. Er sprach die schönsten arabischen Formeln nach, zitierte Verse aus dem Qur’an, doch es schien, als blieben seine Gebete unbeantwortet. Mit jeder vergehenden Nacht wuchs die Frustration in ihm. Hatte Allah ihn vergessen? Oder machte er etwas falsch? Eines Abends saß er in der Moschee, versunken in seine Gedanken. Ein älterer Mann beobachtete ihn und setzte sich leise neben ihn. „Mein Sohn, du siehst aus, als würdest du mit einer schweren Last kämpfen.“
Hamid seufzte. „Ich bete so oft, aber meine Du‘as werden nicht erhört.“
Der alte Mann nickte langsam. „Vielleicht suchst du nicht die wahre Du‘a, sondern die Antwort, die du dir wünschst.“
Diese Worte trafen Hamid unerwartet tief. „Was meinst du damit?“
Der alte Mann lächelte sanft. „Weißt du, eine wahre Du‘a ist nicht nur eine Bitte an Allah. Sie ist ein Gespräch, ein Band zwischen dir und Ihm. Du‘a ist nicht nur ein Mittel, um etwas zu bekommen, sondern eine Brücke, die dein Herz mit deinem Schöpfer verbindet.“
Hamid schwieg, seine Gedanken wirbelten. All die Jahre hatte er gebetet, aber hatte er wirklich mit Allah gesprochen? Hatte er sein Herz geöffnet oder nur mechanisch Worte wiederholt? An diesem Abend änderte sich etwas in ihm. Er ging nach Hause, rollte seine Gebetsmatte aus und setzte sich nieder. Diesmal sprach er keine einstudierten Gebete, sondern ließ sein Herz sprechen.
„Ya Allah,“ flüsterte er, „ich bin verloren. Ich habe so oft gebetet, aber vielleicht habe ich nie wirklich mit Dir gesprochen. Ich weiß nicht, was gut für mich ist. Ich weiß nicht, welchen Weg ich gehen soll. Aber ich weiß, dass Du mich hörst. Ich weiß, dass Du mich liebst. Führe mich, wie Du es für richtig hältst.“
Zum ersten Mal seit Jahren fühlte er Frieden in seiner Brust. Seine Du‘a war nicht mehr ein bloßer Wunschzettel, sondern eine echte, ehrliche Verbindung mit Allah. Die Wochen vergingen, und Hamid bemerkte, wie sich sein Herz veränderte. Er war geduldiger geworden, hoffnungsvoller. Er begann, seine Gebete mit mehr Demut zu sprechen, nicht mehr mit der Erwartung einer sofortigen Antwort, sondern mit dem tiefen Vertrauen, dass Allah ihn hörte – und dass jede Antwort, ob sichtbar oder unsichtbar, zu seiner eigenen Güte war. Und eines Tages, als er es am wenigsten erwartete, erhielt er die Antwort auf eine seiner lang ersehnten Bitten – nicht so, wie er es sich vorgestellt hatte, aber auf eine Weise, die ihn erkennen ließ: Die wahre Du‘a war nicht nur ein Ruf an Allah. Sie war die Gewissheit, dass Er immer nahe ist, dass Er stets antwortet – manchmal auf eine Art, die wir verstehen, und manchmal auf eine Weise, die nur Er kennt.
© Aamna Mashraj 2025-03-27