Die Trommel

Herwig Wolf

von Herwig Wolf

Story

Die Rinderherde war draußen am Rande der Savanne. Marud und die übrigen Hüter hatten sie zusammengetrieben und bewachen sie während der Nacht. Die Ziegen und Hühner sind herinnen und die Öffnung des Krals mit Dornenästen geschlossen. Einige ältere Frauen hocken bei den Wasserkübeln und unterhalten sich. Nguma, der Dorfälteste, beginnt seinen abendlichen Rundgang und bleibt bei jeder Hütte stehen. Ondo greift nach seiner Jembe und schaut hoch. Ja, er solle die anderen holen und sie könnten trommeln. Der Mond stünde gut und die Geister würden warten.

Es sind zehn Männer, jeder hat seine Trommel und sie sitzen im Halbrund um das kleine Feuer. Außen die alten Männer und ganz am Rande die Frauen. In einigen goldenen Armreifen spiegelt sich das Flackern des Feuerscheins wider. Da setzen die ersten Schläge des Leijo ein:buum – bom, buum – bom, buum – bom, buum – bom — buum – baba, buum – baba, buum – baba, buum – baba,buum – bomm, buum – bomm, buum – bomm, buum – bomm — bubu – baba, bubu – baba, bubu – baba …Alles ist ganz ruhig geworden: die Tiere, die Männer, die Frauen. Die Schläge scheinenen träge und doch leicht zugleich zu sein. Einmal mit der Handfläche, dann mit den Fingern, einmal in die Mitte des gespannten Felles, dann an den Rand, einmal fest, dann wieder leicht, einmal schnell, dann wieder zögerlich. Der Rhythmus beginnt zu leben. Ondo lacht und man kann seine weißen Zähne sehen. Die Männer wiegen ihre Schultern und ein unsichtbarer Dirigent scheint sie zu führen. Dann fallen sie in den Shikuti, der den Galopp wiedergibt: tim – bum, bam – bum, tim – bum, bam – bum — in den Gundutulu: bam – bam, gundu -tulu, bam – bam, gundu – tulu, bam – bam, dann in den Mundiko und schließlich in das freie Spiel. Jeder hat seinen Rhythmus gefunden, beginnt zu variieren, zu forcieren, wieder zu verlangsamen, übernimmt einige Schläge lang das Spiel des Nachbarn, tänzelt mit einer Synkope davon, kommt wieder zurück und hält den Grundschlag.Die Trommeln sprechen miteinander und es entsteht eine lebhafte Diskussion, bis alles gesagt ist. Die Gedanken und Wünsche sind mit den Rhythmen verwoben. Die Seelen der Trommler wachsen zu einer großen Seele zusammen, wie ihr Atem und schwebt über dem Kral. Ein leichter Wind trägt sie weit in die Ebene hinaus.Nachdem das Feuer niedergebrannt ist, kann man die Gesichter nicht mehr erkennen. Die Sterne sind heller geworden. Es herrscht Ruhe und Friede. Unglaublich!

© Herwig Wolf 2021-01-23