Die Tücken der Navigation

JanGroenhain

von JanGroenhain

Story
Korsika 2023

Es ist Sommer, und viele machen sich auf die Reise in den Urlaub. Ein beträchtlicher Teil davon staut sich dafür im Auto Richtung Süden oder sonst wo hin. Im vergangenen Jahrhundert war es notwendig, Straßenkarten zu studieren und sich einzuprägen, welche Abzweigung wo zu wählen wäre. Und für Reisen in Städte war ein Stadtplan unbedingt erforderlich, um die Zielstraße zu finden. Zumeist fungierte dazu die Beifahrerin als Navigationsexpertin. Was nicht selten zu Streit führte, wenn kurz nach dem Rechtsabbiegen das Kommando „wir hätten aber links abbiegen müssen“ folgte. Ich kann da selbst aus leidvollen Erfahrungen berichten. Oder einmal, als ich allein spät abends in Wien unterwegs war und bei strömendem Regen verzweifelt nach einer bestimmten Straße suchte und fast eine Stunde lang an fehlender Orientierung und Einbahnen scheiterte.

Die Fahrt in eine unbekannte Destination ist heute deutlich einfacher als früher. Denn um die Jahrhundertwende etablierten sich kleine Wundergeräte. Zuerst in mobiler Ausführung. Heute sind sie längst in allen Autos fix eingebaut. Man braucht lediglich die Zieladresse eingeben, und flugs errechnet das schlaue Teil über komplexe Algorithmen die Fahrtstrecke und zudem auch noch die Dauer der Fahrt. Eine unglaublich tolle Erfindung, zweifellos. Denn das manuelle Routenstudium und ein Grund zum Streit entfällt. Das führt so weit, dass sich manche von uns gar nicht mehr damit auseinandersetzen, über welche Strecke die Reise verläuft. Auf die Frage „bist du über A oder über B hergefahren“ kommt dann mitunter die Antwort: „keine Ahnung, das Navi hat eh die kürzeste Strecke gesucht“. Da verlassen wir uns blind auf die Technik, was dann zu kleinen oder großen Problemen führen kann.

Kürzlich wollte eine Familie nach Salzburg reisen und ist nach Stunden unerwartet in einer gleichnamigen Ortschaft im Westerwald gelandet. Immer wieder können wir lesen, dass Leute im blinden Vertrauen auf die Navistimme auf unbefahrbaren Feldwegen, Skipisten oder in einer Sackgasse ohne Umkehr landen. Das passiert, wenn logisches Denken und geografisches Grundverständnis ausgeschaltet werden. Schwierig für das Navi wird es jedoch, wenn neue Straßen noch nicht gespeichert sind oder Straßenführungen verändert wurden. Dann gibt die Stimme seltsame Anweisungen von sich, denen man besser nicht folgen sollte, wie etwa „bitte wenden“ mitten auf der Autobahn.

Kürzlich waren wir auf Urlaubsreise und unser Ziel lag auf einer Insel. In Ermangelung einer Brücke war es notwendig, dafür eine Fähre zu benützen. Folgerichtig stellte die Ansagerin fest „die Route enthält Fährverbindungen“. Einige Meter, bevor wir das große Schiff enterten, kam die Anweisung „jetzt rechts abbiegen“. Das befolgte ich nicht, wir wären prompt im Meer gelandet! Kurz darauf meldete sie „die Route enthält Verkehrsbehinderungen, eine Ausweichstrecke kann nicht empfohlen werden“. Welche Ausweichstrecke? Mein Auto war ja kein Amphibienfahrzeug. Als wir uns dann mitten im Schiffsbauch stoßstangeneng vorwärts bewegten, meinte sie noch „bitte den Kreisverkehr an der zweiten Ausfahrt verlassen“. Das war zu viel der Ratschläge. „Zielführung abbrechen“ war dann mein Kommando.

Merke: Navigatorische Ratschläge sind gut. Am Ende sollten im Leben der eigene Hausverstand und das Bauchgefühl entscheiden.

© JanGroenhain 2023-07-19

Genres
Romane & Erzählungen, Humor& Satire
Stimmung
Abenteuerlich, Komisch, Adventurous
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